0297 - Der Verräter
wollte einfach nicht loslassen.
Edda zog. Sie hörte das Reißen des Stoffs und bekam einen Schub, als sie nach hinten taumelte, denn durch den Druck konnte der Vampir den Stoff nicht mehr halten. Nur ein Fetzen hing noch zwischen seinen Fingern.
Edda atmete auf.
Im nächsten Moment schrie sie. Plötzlich war der zweite da, und der umschlang sie mit seinen bärenstarken Armen.
Edda Kiss hatte den Mund weit aufgerissen, ihr Kopf lag im Nacken, und die gellenden Schreie verließen ihren Mund abgehackt und schrill.
Sie schüttelte sich und spürte den harten Hieb, der gegen ihren Mund prallte und die Lippen aufriß. Sofort schmeckte sie Blut auf der Zunge und schluckte es auch herunter. Dennoch gab sie sich nicht geschlagen. Der Vampir, der sie verfolgt hatte und nun vor ihr stand, bekam dies zu spüren.
Ihre hochgerissenen Füße trafen stoßweise seinen Leib. Der Unhold stand wie eine Eiche. Er steckte die Treffer weg, ohne umzufallen. Er ging sogar selbst zum Angriff über.
Es gelang ihm, die Füße des Mädchens zu packen. An den Knöcheln hielt er die Beine fest, und diesen Griff konnte Edda Kiss nicht sprengen. Sie gab ihren Widerstand auf.
Der Vampir, der ihren Oberkörper umschlungen hielt, schleuderte sie herum und drosch sie zu Boden. Zum Glück war die Erde weich, dennoch spürte sie den Aufprall und auch das Knie, das sich in ihren Rücken drückte.
»Wir wollen dein Blut!« vernahm sie die zischende Stimme. »Und wir werden es bekommen…«
Sie schluchzte. Mit dem Gesicht wurde sie zu Boden gepreßt. Ihre Lippen bekamen feuchtes Laub, Gras und Erde zu schmecken. Die Dinge knirschten zwischen ihren Zähnen. Edda hatte einen Punkt erreicht, wo ihr alles egal war. Sie war froh, überhaupt atmen zu können, und dazu mußte sie noch den Kopf zur Seite drehen.
Sekunden vergingen. Der Vampir rührte sich nicht. Er hob auch nicht sein Knie an, sondern wartete. Urplötzlich riß er Edda dann auf die Beine.
Das Mädchen konnte sich kaum halten. Die Beine knickten weg, und die Blutsauger mußten sie festhalten. Einer faßte sie an die rechte, der andere an die linke Hand.
So schleiften sie Edda den Weg zurück, den sie gerannt war. Diesmal dauerte es wesentlich länger, und Mandraka wartete schon. Er stand neben der offenen Gruft, hatte die Arme in die Hüften gestützt und sein Gesicht zu einem siegessicheren Grinsen verzogen.
Dabei schüttelte er den Kopf. »Keine Chance«, sagte er. »Überhaupt nicht. Wir brauchen dein Blut, weil wir den Teufel…«
»Neinnnn!« brüllte Edda. »Ich will leben! Ich will mein Blut nicht hergeben.« Sie war wie von Sinnen, schüttelte den Kopf und blieb weiterhin in der Schräglage.
Mandraka kümmerte sich nicht um ihr Schreien. »Was in Atlantis Bestand gehabt hat, das überdauert auch die Zeiten und besitzt heute ebenfalls seine Gültigkeit.«
Edda hörte die Sätze nicht. Sie bekam nur mit, daß man sie zur Seite drückte, so daß sie jetzt in die Öffnung der düsteren Gruft schauen konnte.
Wollte man sie da wieder hineinstoßen?
Es gab nur die Möglichkeit, und die Vampire zögerten auch nicht mehr länger.
Sie gingen zwei Schritte näher schaukelten sie vor und zurück, bevor sie Edda losließen.
Plötzlich schwebte das Mädchen in der Luft. Die viereckige Öffnung kam immer näher – und verschlang sie.
Mit einem dumpfen Laut klatschte Edda auf den feuchten morastigen Boden…
***
Kara wollte und konnte nicht mehr. Sie lag apathisch auf der Couch, und als Suko das Thema noch einmal angeschnitten hatte, schüttelte Kara nur den Kopf.
Sie war fertig…
Verständlich, denn die Beschwörung und das Herstellen einer Verbindung zu dem Schwert mit der goldenen Klinge hatte sie ausgebrannt.
War der Inspektor in brenzligen Situationen oftmals die Ruhe selbst, so konnte er in diesem Fall nicht so still sitzen wie Shao, seine Partnerin.
Er ging im Zimmer auf und ab. Dabei hatte er seine Hände geballt, das Gesicht starr wie eine Maske, und Shao, die ihren Partner gut kannte, wußte genau, was in seinem Innern vorging. Ein Sturm von Gefühlen durchtobte ihn. Suko war ein Mensch, der einfach nicht untätig sein konnte. Er mußte immer etwas tun, vor allen Dingen dann, wenn er um eine Gefahr wußte und selbst nicht eingreifen konnte.
So etwas ging ihm an die Substanz.
Deshalb auch seine Wanderung im Zimmer. Einmal bis zur Tür, dann wieder zurück, und dies wiederholte er öfter, begleitet von den Blicken der dunkelhaarigen Chinesin, die sich eine lange
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