0297 - Der Verräter
den Kopf zu heben, und Mandraka anzuschauen. Dabei sah sie das Nicken des Vampirs. Mit dieser Bewegung bestätigte er seine eigenen Worte.
Edda Kiss atmete schluckend. »Muß… muß ich dann sterben?« hauchte sie entsetzt.
»Ja. Du wirst dein Blut verlieren und keine Gelegenheit mehr haben, am Leben zu bleiben. Ein Mensch ohne Blut kann nicht mehr existieren, das weißt du.«
Deutliche Worte, die Edda Kiss gehört und auch begriffen hatte. In diesen Augenblicken, als sie die volle Wahrheit erfahren hatte, kam sie sich so schrecklich allein und einsam vor. Sie hatte den Kopf gesenkt, wollte weinen, aber sie brachte es nicht fertig, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Etwas schnürte ihr die Kehle zu.
Mandraka gab mit einer Handbewegung seinen Helfern zu verstehen, was er wollte. Zwei lösten sich hinter ihm und traten auf das Mädchen zu.
Der Vampir hinter Edda griff zur gleichen Zeit an.
Sie fühlte die Berührungen der sechs Hände auf ihrem Körper und zuckte so heftig zusammen, als hätte man sie aus einem tiefen Traum brutal herausgerissen.
Als sie den Kopf hob, schaute sie in die blutigen Fratzen der Vampire. Jetzt war es vorbei.
Aber ihr Wille erwachte. Die Berührungen der kalten Klauen hatten so etwas wie eine Initialzündung in ihr ausgelöst. Sie ließ sich zusammensacken, täuschte die Blutsauger damit und schnellte im nächsten Moment hoch, wobei sie beide Arme in die Höhe schleuderte, sie ausbreitete und die Hände spreizte.
Mit allen zehn Fingern fuhr sie in die Gesichter der Blutsauger.
Die Kuppen stießen hinein. Für einen Moment hatte Edda das Gefühl, in Pudding zu fassen, dann riß sie die Finger nach unten spürte dieses sirupartige Zeug an ihren Händen und merkte auch, daß sie Fetzen aus den Gesichtern gerissen hatte, die nach unten fielen.
Das alles ging sehr schnell, und selbst die Schwarzblut-Vampire waren von dieser Attacke überrascht worden.
Edda kam durch.
Sie wunderte sich selbst, woher sie die Kräfte nahm, um ihre Gegner zur Seite zu stoßen.
Beide Vampire flogen weg wie Puppen.
Dann war sie durch.
Edda Kiss besaß einen jungen, geschmeidigen und elastischen Körper. Sie konnte in diesen Augenblicken auf nichts und niemand Rücksicht nehmen, denn es ging um ihr eigenes Leben, das sie retten mußte. Es war weit bis zum nächsten Dorf. Diese Strecke würde sie schnell laufend nie durchhalten, aber sie kannte den Weg gut genug, und sie wußte auch, wo sie sich verstecken konnte.
Zunächst mußte sie den Friedhof hinter sich lassen, was nicht einfach war, denn auf einem weichen, laubbedeckten Boden läßt sich eben schlecht laufen.
Bei jedem Schritt sanken ihre Füße ein, sie federte nicht, sondern mußte stampfend rennen. Ihre Füße schleuderten das nasse, faulige Laub in die Höhe.
Grabsteine wuchsen plötzlich vor ihr auf, wobei sie sich stets im letzten Moment drehte, um an ihnen vorbeizuhuschen.
Trotz der Schrittgeräusche vernahm sie in ihrem Rücken die heiseren Laute.
Mandraka hatte sie ausgestoßen, denn er feuerte seine Vampirdiener heftig an.
Sie fächerten auseinander.
Schwarze, unheimliche Gestalten, die den Friedhof ebenfalls gut kannten, bildeten einen gewaltigen Halbkreis, um das flüchtende Mädchen in die Zange zu nehmen.
Und Edda hetzte weiter.
Mehrere dicht nebeneinanderstehende Büsche kamen ihr wie eine Wand vor, und sie konnte nicht mehr stoppen.
Edda brach hindurch.
Für einen Moment hatte sie das Gefühl, als wollten die Zweige sie zuerst stoppen und dann zurückwerfen. Sie peitschten auch gegen ihren Körper, kratzten, hieben und verhakten sich in ihrer Kleidung.
Der Schwung ihrer ersten Flucht wurde gebremst, aber nicht gestoppt. Edda kam trotzdem durch.
Aber die Blutsauger holten auf.
Das Mädchen hörte ihre Schritte. Sie klangen lauter, als zu Beginn ihrer Flucht. Zudem verringerte sich die Distanz immer mehr. Einmal warf sie einen Blick über die Schulter.
Er war schon da.
Von rechts kam er. Ein heftiger Sprung brachte ihn in Eddas Laufrichtung. Ausweichen konnte sie nicht mehr. Der Körper wuchtete zwar nicht mit voller Kraft gegen sie, doch der Zusammenprall reichte aus, um Edda taumeln zu lassen.
Sie kam aus dem Rhythmus, war nahe daran, das Gleichgewicht zu verlieren, torkelte zur Seite und sah den Angreifer fallen. Vor Wut und Angst drosch sie mit beiden Fäusten auf ihn ein und traf seinen harten Körper, als er sich noch in der Bewegung befand. Eine seiner Hände hatte sich im Saum ihres Kleides verhakt und
Weitere Kostenlose Bücher