0298 - Todesfalle Rummelplatz
und hängte die Peitsche an einen Haken.
»Esther hat mir erzählt, dass Sie hinter dem Mörder der Betty Oaktree her sind«, sagte er und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich hoffe doch, dass Ihr Besuch bei mir nichts damit zu tun hat.«
»Durchaus nicht. Aber da Sie das Gespräch darauf bringen - kannten Sie das Mädchen?«
»Selbstverständlich. Wir kennen hier alle. Wir alle gehören ja - wie man so sagt - zu dem fahrenden Volk, auch wenn wir hier im Willow Park ziemlich sesshaft geworden sind. Das heißt, so lange wir uns mit unserem Herrn und Meister vertragen.«
Ich merkte, wie Esther ihn mit dem Ellbogen anstieß.
Aber das rührte ihn nicht.
»Sei nicht so ängstlich, Kleines«, sagte er. »Chase ist nicht allmächtig, auch wenn er sich so vorkommt. Ich möchte ihn nur einmal für zehn Minuten zu Bongo in den Käfig sperren.«
»Lassen Sie ihn das ja nicht hören«, meinte ich.
»Ich werde mich hüten. Was meinst du dazu, Esther? Du kennst ihn doch bedeutend besser als ich. Wenigstens sollte man das meinen.«
»Hör auf mit deinen Sticheleien, Francis. Du weißt genau, dass ich mit Chase nichts habe und niemals etwas gehabt habe.«
»Wenn er klug ist, lässt er die Finger von dir. Du bist noch tückischer als ein schwarzer Panther… aber sei beruhigt. Ich werde auch mit dir fertig.«
»Wenn es nicht anders geht, mit Hilfe der Peitsche«, sagte ich.
Er lachte bedeutungsvoll, und sie wäre uns am liebsten mit den Krallen ins Gesicht gefahren.
»Was macht eigentlich Ihre Morduntersuchung?«, fragte Drake. »Haben Sie schon Fortschritte gemacht?«
»Vorläufig sammeln wir Eindrücke und Alibis«, antwortete ich. »Da wir übrigens gerade von Alibis reden. Wo waren ,Sie gestern Abend zwischen zehn und elf?«
»Wo ich war? Jedenfalls nicht hier oder gar in der Liebesgrotte. Ich hatte den Laden meinen beiden Tierwärtern überlassen. Die Dressurvorführungen beginnen erst um elf Uhr dreißig. Ich ging mit einem netten Mädchen spazieren. Und da ich nicht einmal ihren Nämen kenne, kann sie mir auch kein Alibi geben.«
»Gar kein Alibi ist immer noch besser, als ein erfundenes. Wo waren Sie, als Betty - von der Sie sagten, dass sie Ihre beste Freundin sei - ermordet wurde, Miss Carlow?«
»Da, wo ich hingehörte. Nämlich auf oder hinter der Bühne im Revue-Theater«, entgegnete Esther schnippisch.
»Und warum sind Sie heute nicht dort?«
»Weil ich meinen freien Tag habe. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?«
Ich hätte gerne noch vieles gewusst.
Das niedliche Mädchen, von dem Drake gesagt hatte, es sei tückischer als ein schwarzer Panther, interessierte mich.
Aber es hatte keinen Zweck, weiterzufragen.
Ich hätte doch nur pampige Antworten bekommen.
Also gingen wir und bummelten weiter.
Eine Zeit lang schwiegen wir beide.
Dann sagte Phil: »Was hältst du von dem Tierbändiger?«
»Er ist ein mit allen Wassern gewaschener Sadist.«
»Und die kleine Kröte mit dem Kindergesicht passt zu ihm.«
»Also zwei weitere Verdächtige«, meinte ich nachdenklich.
Wir kamen an ein Zelt mit der Leuchtschrift VARIETE ORIENTAL, dessen Front mit überlebensgroßen Frauenfiguren geschmückt war.
Dass diese Figuren unmögliche Proportionen hatten, fiel weiter nicht auf.
»Ist das nicht der Laden, in dem deine Freundin mit dem Bauch wackelt?«, fragte mein Freund. »Wollen wir uns das Mädchen nicht einmal in Aktion ansehen?«
Ich war einverstanden.
Wir lösten die Eintrittskarten und hatten das Glück, Plätze in der ersten Reihe zu erwischen.
Zwei Männer in schmutzigen, weißen Gewändern dudelten auf ihren Flöten, und ein Mädchen, das eine Unmenge von unechtem Schmuck über der spärlichen Bekleidung trug, fiedelte auf einer zweiseitigen Geige dazu.
Das Ganze nannte sich orientalische Musik.
Ein Zauberkünstler machte mittelmäßige Scherze, und ein Schlangenbeschwörer spielte mit einer harmlosen Ringelnatter.
Sechs nette junge Dinger versuchten einen arabischen Tanz, und ein Girl führte den Tanz der Salome vor.
Dann erschien ein Mann im Frack, mit Turban und angeklebtem Schnurrbart, und verkündete, er werde nun die große Sensation, den Trick mit der durchsägten Dame vorführen.
Dabei wies er auf eine längliche Kiste, die auf einem mit Tüchern behangenen Podest in der Mitte der Bühne stand.
Wir kannten das Geheimnis dieses Tricks.
Ein nettes - als Sklavin verkleidetes - Mädchen wurde mit gefesselten Händen hereingeführt.
Der Schnurrbartmann zückte eine
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