0298 - Todesfalle Rummelplatz
für das Kunststück mit der durchsägten Dame brauchte.
Diese bestand in Wirklichkeit aus zwei Kasten. Die untere war durch die Stoffdraperien verdeckt.
Die obere hatte eine Klappe, durch die die Gehilfin des Artisten nach unten verschwand, um dann im gegebenen Augenblick, frisch und munter wieder zu erscheinen.
Da die Apparatur recht schwer war, waren die beiden Kisten auf Rollen montiert, sodass sie leicht auf die Bühne geschoben werden konnten.
Wir sahen uns in der kleinen Umkleidekabine um und fanden vor dem Tisch mit dem Spiegel und den Schminktöpfen einen umgefallenen Stuhl und eine Blutlache.
Also war das Mädchen, während sie sich zurechtmachte, ermordet worden.
Der Mörder hatte die Leiche in die Kiste gepackt und war durch den Hinterausgang, durch den er auch hereingekommen sein musste, verschwunden.
So weit waren wir gekommen, als Lieutenant Chambers mit seinen Leuten erschien.
»Scheußlich.« Das war alles, was er sagte.
Während sich Dr. Harvey, den wir schon kannten, an die Untersuchung machte, berichteten wir dem Lieutenant, was wir bis jetzt wussten.
»Der Tod ist vor einer knappen Stunde eingetreten«, sagte der Arzt. »Die Waffe ist entweder dieselbe oder eine ähnliche, wie die, mit der das Mädchen in der Liebesgrotte ermordet wurde. Ich möchte auch behaupten, dass der Mörder derselbe ist. Die Art, in der er vorging, beweist das. Man könnte meinen, der Kerl sei Metzger von Beruf.«
Jedes einzelne Mitglied der Truppe wurde vernommen, aber niemand hatte etwas gesehen oder gehört.
Es liefen, wie man uns sagte, so viele Leute hinter der Bühne herum, dass man auf den Einzelnen gar nicht geachtet hatte.
Natürlich .wurde alles nach Fingerabdrücken abgesucht, und es wurden auch verschiedene gefunden.
Welche davon von dem Mörder stammten, konnte kein Mensch sagen.
Die dicke Frau war inzwischen wieder zu sich gekommen, aber auch sie wusste nichts.
Die ganze Zeit über wartete ich darauf, dass Mr. Chase erscheinen würde, um zu reklamieren, warum die Show nicht weitergehe.
Aber er schien heute Abend etwas anderes vorzuhaben.
Trotzdem forderte Lieutenant Chambers auf unsere Veranlassung einen uniformierten Polizisten an, der die Nacht über in dem Zelt bleiben sollte.
Er sollte dafür sorgen, dass alles so blieb, wie es war.
Bei Tageslicht wollte Chamber eine weitere Untersuchung anstellen.
Als wir endlich nach zwei Uhr weggingen, waren die Zelte und Buden bereits geschlossen.
Nur vor dem VARIETE ORIENTAL stand noch eine unentwegte Gruppe Neugieriger, die allerdings nicht auf ihre Kosten kam.
Der Unfallwagen, der die Tote wegbrachte, war am Hinterausgang vorgefahren.
Um zwei Uhr fünfundvierzig waren wir endlich wieder in Manhattan.
Während des ganzen Weges hatte keiner von uns ein Wort gesprochen.
Ich stoppte vor einer kleinen Bar in der Third Avenue, durch deren Hintertür eingeweihte Gäste auch zu dieser Stunde noch hineinkamen.
Es war eines der Lokale, in denen ruhig, aber intensiv gezecht wurde.
Drei der Anwesenden schliefen bereits, und die übrigen waren nicht weit davon entfernt.
Der Wirt begrüßte uns mit einer Selbstverständlichkeit, als ob es neun Uhr abends sei.
Er stellte uns unaufgefordert je einen doppelten Scotch on the rocks auf den Tisch.
»Hallo, lange nicht gesehen. Verirren sich die Herren G-men auch einmal wieder in JACKYS Bar?«, fragte er dabei.
»Eigentlich hätte man den Laden schon lange schließen müssen«, antwortete Phil. »Sie sollten bereits seit zwei Stunden dicht gemacht haben.«
»Aber wie ich sehe, finden Sie es recht angenehm, dass ich Ihnen noch etwas einschenke«, konterte er grinsend.
Dagegen war nichts zu sagen.
Es gibt eben Dinge, die zwar verboten sind, bei denen aber sogar ein G-men ein Auge zukneift.
Dann redeten wir, Phil und ich, endlich von dem, worüber wir die ganze Zeit gebrütet hatten.
»Man könnte glauben, der Mörder sei ein Wahnsinniger«, meinte mein Freund. »Ich finde kein Motiv. Das, was dir diese Esther Carlow von Betty erzählt hat, ist Unsinn. Ich glaube nicht, dass dieses Mädchen ein Verhältnis mit Chase gehabt hat. Und wenn sie es hatte, so ist es nicht wahrscheinlich, dass Mildred Salling sie deshalb umgebracht hat, umso mehr, da sie selbst nun daran glauben musste. Außerdem schneidet eine Frau der anderen nicht die Kehle durch. Ich würde die Sache vielleicht für möglich halten, wenn Gift benutzt worden wäre. Aber so.«
»Ich neige immer mehr dazu, mir Mildreds Ansicht zu eigen zu
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