0299 - In diesem Zimmer haust die Angst
Lieber!«
Die würden wir bekommen. Davon waren wir überzeugt, ohne weiter darüber gesprochen zu haben.
Ich hatte das Gefühl, als würde die Umwelt den Atem anhalten. Trotz des Windes, der die Straße hochfuhr und weiterhin diesen widerlichen Gestank mit sich brachte, spürte ich etwas, das sich über unseren Köpfen zusammenbraute.
Es war eine Gefahr!
Sie verdichtete sich, je weiter wir gingen. Überall schienen Gegner zu lauern, die uns aus geheimen Verstecken klammheimlich beobachteten. Obwohl wir keinen entdeckten, kamen uns ihre Blicke vor wie geschliffene Messer, die über meinen Rücken fuhren und dort eine Gänsehaut hinterließen.
Es war das Gefühl, das ich schon kannte und oft genug spürte, wenn irgend etwas Entscheidendes dicht bevorstand.
Hier würde bald was passieren.
Ohne ein Wort zu sprechen, überquerte Kara die Straße, während wir auf der linken Seite blieben.
Nebeneinander schritten Suko und ich her, wobei sich der Chinese mehr der Straßenmitte zugewandt hatte.
Rios nachtblauer Samthimmel lag hoch über uns. Die funkelnde Pracht einer bizarren Sternenwelt schaute auf uns herab. Unendlich weit entfernt, unbegreifbar ebenso wie andere Dimensionen, in die es uns hin und wieder verschlug.
Das Haus, in dem wir gefangen waren, brauchten wir nicht weiter zu durchsuchen. Hätte sich noch eine Person - Monstrum oder Mensch - in ihm aufgehalten, hätte sie sich bestimmt nicht verborgen gehalten und wäre uns erschienen.
Jetzt hatten wir schon das nächste Haus erreicht. Ich schaute nach links, denn dort wuchs vor mir die dunkle Fassade in die Höhe. Auch diese Fenster besaßen keine Scheiben, wobei mir das Haus allerdings einen bewohnten Eindruck machte, denn die Fensteröffnungen waren bis zur Hälfte mit Pappe verklebt oder vernagelt.
Wohnten dort Menschen?
»Da ist jemand!« Suko stieß den Satz hervor.
Auch ich entdeckte die Gestalt. Sie mußte in der Haustür gelauert haben, denn sie ging nur einen Schritt, um die Straße zu erreichen und stand nun vor uns.
Es war nicht der Mann, den wir gesehen hatten, sondern eine Frau!
Schon älter, mit grauen Haaren. Sie ging gebückt, den Kopf leicht erhoben, und sie schaute uns an.
Wenig später wehte uns ein Kichern entgegen, auf das ein Lachen folgte, denn die Frau riß ihren Mund plötzlich weit auf.
Sie tat es nicht nur, weil sie lachte, der Grund war ein ganz anderer.
Aus der Öffnung jagte etwas Glitschiges, Langes so schnell hervor, daß wir nicht mehr ausweichen konnten. Es war auf Suko gezielt, der zwar noch zur Seite sprang, trotzdem erwischt wurde.
Und zwar am Fuß.
Mit rasender Geschwindigkeit wickelte sich das glitschige Etwas um den Schuh, riß daran, und Suko prallte im nächsten Augenblick rücklings zu Boden…
***
Im Nu schwebte mein Partner in höchster Lebensgefahr. Das wußte nicht nur ich, auch Suko war es bekannt. Wer einmal von dem verdammten Krakendiener infiziert war, entkam dem Grauen nicht.
Suko hatte trotzdem Glück gehabt, weil sich der Fangarm um seinen Fuß gewickelt hatte und nicht in den Körper gedrungen war. So blieb ihm noch eine Frist, und die nutzte er auch aus, so daß ich nicht einzugreifen brauchte.
Der Inspektor wuchtete seinen Oberkörper in die Höhe, gelangte in eine sitzende Stellung und drückte die Mündung seiner Beretta gegen den Fangarm.
Ich schaute inzwischen auf die Frau.
Sie hatte sich breitbeinig aufgebaut. Ihr Gesicht war als solches nicht mehr zu bezeichnen, nur noch eine widerliche Fratze, angestrengt und angespannt, als stünde der Kopf dicht vor einer Explosion.
Dann peitschte der Schuß.
Das Echo schwang noch über die Straße und zerbrach die Stille, als der durchschossene Arm zurückschnellte und wieder in den weit aufgerissenen Mund hineinglitt.
Dahinter steckte eine immense Wucht, die von der Frau nicht mehr ausgeglichen werden konnte.
Sie torkelte zurück, trat dabei in ein kleines Straßenloch und fiel mit rudernden Armen nach hinten.
Sie war kaum auf den Boden geschlagen, als ihr Körper an den Oberschenkeln aufbrach und zwei lange, dünne Krakenarme entließ, die über uns wie gefährliche Luftschlangen pendelten. Suko und ich brachten uns augenblicklich aus der Gefahrenzone, denn von diesen Dingern wollten wir nicht erwischt werden.
Ein Arm hatte es auf mich abgesehen. Er zuckte über mir und fiel nach unten.
Ich ging noch einen halben Schritt zur Seite und reagierte erst dann. Suko hatte geschossen, ich nahm den Dolch, führte den Arm im Halbkreis
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