03 Arthur und die Stadt ohne Namen
verschlungener schwarzer Linien überzogen waren, die ein komplexes Muster bildeten. Es erinnerte mich an die Verzierungen, die an den alten Häusern zu sehen waren.
Beide blickten auf, als wir in die Werkstatt traten. Der Mann wischte sich die Hände an einem Tuch ab und lächelte uns freundlich an. »As-salamu ’alaikum« , grüßte er. »Ihr seid gewiss die Freunde von Hayyid.« Er drehte sich zu der Frau um und rief ihr etwas auf Arabisch zu. Sie verschwand durch eine Tür und kehrte mit Hayyid zurück.
Er begrüßte uns herzlich und stellte uns den anderen beiden vor. »Das ist mein Vater Musallim und das meine kleine Schwester Amina.«
Wir verbeugten uns höflich. Von Aminas Gesicht waren nur zwei funkelnde Augen zu sehen. Hayyid bat uns, ihm ins Hinterzimmer zu folgen. Dort wartete bereits ein frisch aufgegossener Shai auf uns.
Amina war mit uns gekommen. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog sie das Tuch von ihrem Gesicht. Was dahinter zum Vorschein kam, war ein außergewöhnlicher Anblick.
Hayyids Schwester konnte nicht viel älter als fünfzehn Jahre sein. Ihre Haut hatte die Farbe von Milchkaffee. Ein voller, geschwungener Mund, eine schmale, wohlgeformte Nase und dazu die geheimnisvollen braunen Augen: Ich konnte meinen Blick kaum von dieser Schönheit lösen. Fast verstand ich, warum manche Frauen nichts dagegen haben, ihr Gesicht hinter einem Schleier zu verbergen. Wer so aussah wie Amina, hätte sich wahrscheinlich vor begehrlichen Blicken kaum retten können.
Sie bemerkte meine Faszination und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Ich lächelte zurück und spürte, wie mein Herz schneller klopfte. Larissa, die die kurze Szene aufmerksam beobachtet hatte, legte warnend die Stirn in Falten.
Als wir am Tisch saßen, vermied ich den Blickkontakt zu Amina. Erneut fielen mir die Muster auf ihren Händen auf. »Ist das eine Tätowierung?«, fragte ich Hayyid.
Seine Schwester antwortete mir direkt. »Ich kann selbst sprechen«, sagte sie mit einem vielsagenden Lächeln. Ihr Englisch war perfekt. Sie hob ihre Hände, damit wir sie besser sehen konnten. »Das ist eine jemenitische Tätowierung. Nur wird sie nicht mit Nadeln eingeritzt, sondern aufgemalt. Die schwarze Farbe wird als Paste aus einer Pflanze namens Nagsh gewonnen.«
»Amina ist eine Munagasher , einer Nagsh-Künstlerin«, ergänzte Hayyid stolz. »Im Jemen lassen sich Frauen und Mädchen vor Festen oder vor einer Hochzeit von der Munagasher die Hände und manchmal auch weitere Körperteile bemalen.«
»Meine Hände sind sozusagen eine Werbung für mich«, sagte Amina. »Gefällt es dir?« Sie sah mich direkt an.
Ich räusperte mich. Tattoos waren eigentlich nicht mein Ding. Aber das konnte ich ja schlecht sagen. »Sehr schön«, nickte ich.
»Könnten wir mal zum Thema kommen?«, meldete sich Larissa zu Wort. Ihr Gesicht hatte sich in den letzten Minuten mehr und mehr verfinstert.
»Natürlich«, erwiderte Hayyid. »Ich habe mit meinem Onkel Kontakt aufgenommen. Er hat diesen Chalid längere Zeit nicht mehr gesehen, wusste aber, dass er immer mal wieder nach Shibam kommt, um Proviant einzukaufen. Seiner Meinung nach müsste es bald wieder so weit sein. Wir sollten also so schnell wie möglich aufbrechen. Bis dahin wird mein Onkel für uns Ausschau nach Chalid halten.«
Er erzählte weiter, dass er einen alten Landrover organisiert hatte, den wir für unsere Fahrt nach Shibam und danach in die Wüste nutzen konnten. Der Verkäufer bestand allerdings auf Barzahlung. Ich zog die Geldbündel hervor, die wir aus Schottland mitgebracht hatten, und zahlte Hayyid den Betrag aus. Für sich selbst wollte er kein Geld. »Darüber können wir reden, wenn wir alle wieder zurück sind«, sagte er.
Er schlug vor, früh am nächsten Morgen aufzubrechen. Wir waren einverstanden. Je eher wir der Stadt ohne Namen näher kamen, desto besser. Wir besprachen noch einige Details und standen dann auf, weil Hayyid noch eine Menge zu planen hatte.
»Bis morgen«, sagte Amina, als wir uns verabschiedeten.
»Du begleitest uns doch nicht?«, fragte Larissa mit hochgezogenen Augenbrauen.
Amina strahlte sie an. »Ich werde meinen Bruder doch nicht allein in dieses Abenteuer ziehen lassen.«
Hayyid schien ebenso überrascht zu sein wie wir. »Das wird nicht möglich sein, Amina. Du musst bei Papa bleiben.«
»Aber ich will mit!« Ihr hübsches Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. »Zu viert sind wir stärker als zu dritt.«
»Du bist
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