03 Arthur und die Stadt ohne Namen
ein Mädchen«, sagte Hayyid. »Das ist zu gefährlich für dich.«
»Sie ist auch ein Mädchen.« Amina deutete auf Larissa. »Wenn es für sie nicht zu gefährlich ist, dann ist es das für mich auch nicht.«
Hayyid seufzte. »Das verstehst du nicht. Du wirst uns jedenfalls nicht begleiten. Das ist mein letztes Wort. Und das von Papa übrigens auch.«
»Das werden wir ja noch sehen.« Amina stampfte wütend mit dem Fuß auf und stürmte aus dem Raum. Hayyid zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Wir sagten auch seinem Vater Lebewohl und machten uns auf den Rückweg. Larissa verkniff sich eine bissige Bemerkung zu Hayyids Schwester, sagte aber auch sonst nichts. Zakiya führte uns durch ein paar weniger belebte Gassen, über kleine, ruhige Plätze, auf denen Gruppen von Frauen zusammenhockten und miteinander plauderten. Kinder spielten im Schatten der Häuser Fußball. Eine Frau bot uns hart gekochte Eier an, die sie in einem großen Korb auf dem Kopf trug. In einem schmalen Durchgang zwischen zwei Häuserreihen kam uns ein Mann mit einem Schubkarren voller Apfelsinen entgegen. Wir drückten uns an die Wand, um ihn vorbeizulassen. Dabei verhakte sich seine Karre an einem Mauervorsprung. Er hatte so viel Schwung, dass er das Gefährt nicht mehr halten konnte. Es kippte zur Seite und die Orangen ergossen sich auf das Kopfsteinpflaster.
Er stieß einen klagenden Laut aus und sah uns böse an. Wir halfen ihm, die Früchte einzusammeln, und kauften ihm ein halbes Dutzend davon ab, was ihn wieder versöhnlich stimmte. Als der Obstverkäufer seinen Weg fortsetzte, blickte ich ihm nach. Dabei entdeckte ich am Ende des Durchgangs eine bekannte Gestalt in der dahinterliegenden Gasse.
Es war der Mann vom Restaurant, der mir auch am Tahrier-Platz aufgefallen war.
Jetzt war ich mir sicher, dass er uns verfolgte. Hatte er uns schon den ganzen Tag beobachtet? Dann kannte er auch Hayyids Adresse und wusste, wo wir wohnten.
Ich sagte den anderen nichts. Etwas Neues konnte unser Verfolger heute sowieso nicht erfahren. Und morgen würden wir nicht mehr da sein.
Nach der Rückkehr ins Haus von Maurice und Zakiya packten wir unsere Sachen und informierten den Bibliothekar über unsere bevorstehende Abreise. Am Zustand des Bücherwurms hatte sich nichts geändert.
»Ihr werdet mit dem Telefonieren ab morgen Probleme haben«, sagte Maurice, nachdem wir das Gespräch beendet hatten. »In Shibam gibt es zwar ein Mobilfunknetz, aber die Regierung des Jemen schaltet Teile davon immer wieder ab, um den Aufständischen die Kommunikationsmöglichkeiten zu nehmen. Der Hadramaut ist eine der Regionen, die dazugehören.«
»Gibt es dort denn Kämpfe?«, fragte ich. Unser Vorhaben war schon gefährlich genug. Ich hatte keine Lust, dabei auch noch in kriegerische Auseinandersetzungen zu geraten.
»In den größeren Orten nicht«, beruhigte er uns. »Ihr dürftet also einigermaßen sicher sein, vor allem, wenn ihr unter dem Schutz von Hayyids Onkel steht.«
Gute Aussichten waren das trotzdem nicht. Bespitzelung in Sanaa, Bürgerkrieg im Hadramaut, kein Telefon oder Internetzugang und das Warten auf Chalid, von dem wir nicht einmal wussten, ob er uns überhaupt zur Stadt ohne Namen führen würde.
Hinzu kam, dass Larissa den ganzen Abend kaum ein Wort mit mir gewechselt hatte, weil sie wegen Amina wohl noch sauer war.
Entsprechend war meine Stimmung, als ich zu Bett ging. Vor dem Einschlafen warf ich noch einen Blick aus dem Fenster. Die Gasse vor dem Haus war menschenleer.
Aber in einem dunklen Auto, das etwas abseits vom Haus am anderen Straßenrand parkte, sah ich das rote Glühen einer Zigarette ...
Shibam
Wir verließen Sanaa am frühen Morgen. Maurice brachte uns mit unserem Gepäck zu einem Platz am Rand der Stadt, wo wir Hayyid trafen. Amina hatte sich wohl der väterlichen und brüderlichen Autorität gebeugt, denn sie war nicht bei ihm. Ich vermied es allerdings, unseren Begleiter darauf anzusprechen, denn ich wollte Larissa nicht schon wieder reizen.
Der von Hayyid organisierte Landrover hatte schon bessere Jahre gesehen. Der Lack war an vielen Stellen abgeblättert, das Blech voller Kratzer und Beulen. Auf der Kühlerhaube war ein Ersatzreifen befestigt und auf dem Dach mehrere große Metallkisten. Über der vorderen Stoßstange saß eine Seilwinde und an der Hintertür hingen zwei Spaten.
Wir packten unsere Koffer in den Laderaum, der bereits mit einem halben Dutzend großer Wasser- und Treibstoffkanister
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