03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Sie eigentlich den Bibliothekar?«
»Bibliothekar?« Er sah mich fragend an.
»Der Mann, der Sie angerufen und unsere Ankunft angekündigt hat.«
»Ach, ihr meint Pavel Brodsky. Ich kenne ihn eigentlich gar nicht«, antwortete er. »Er ist ein Freund meines Vaters. Vor vielen Jahren hat er unserer Familie einmal aus einer sehr bedrohlichen Situation geholfen. Ich war damals noch ein Kind und kann mich an keine Einzelheiten erinnern. Und mein Vater hat später nie darüber gesprochen. Aber er hat mir das Versprechen abgenommen, falls Pavel mich mal um einen Gefallen bitten sollte, ihm diesen ohne viele Fragen zu erweisen. Das sei sozusagen eine Ehrenschuld unserer Familie.«
»Dann wissen Sie auch nicht, was er so macht?«, fragte Larissa.
Maurice schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe ihn als Erwachsener nur einmal getroffen, und das war bei der Beerdigung meines Vaters. Er lebt in Prag, so viel weiß ich. Und er hat irgendwas mit Büchern zu tun. Aber mein Vater meinte, es sei nicht gut, zu viel über die Aktivitäten Pavels zu wissen.«
Er sah uns prüfend an. »Für euch scheint das ja nicht zu gelten. Ich habe zwar versprochen, keine Fragen zu stellen, aber neugierig bin ich doch. Ich frage mich, wieso zwei Jugendliche allein in der Welt herumreisen, wenn sie doch bei ihren Familien das Osterfest verbringen sollten. Und ob sie wirklich vorhaben, allein in die Rub al-Khali zu fahren.«
Bevor einer von uns antworten konnte, hob er schnell die Hände. »Ihr müsst nichts sagen. Ich werde euch auf jeden Fall helfen.«
»Sie haben zumindest eine Antwort verdient«, sagte ich. »Das sind wir Ihnen schuldig. Sie wissen ja bereits, dass Larissas Eltern in der Wüste verschollen sind. Aber sie sind nicht tot, sondern noch am Leben und werden gefangen gehalten. Und aus bestimmten Gründen, die ich nicht näher erläutern möchte, können nur wir sie befreien.«
»Und wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe«, fügte Larissa hinzu.
Er zuckte mit den Schultern. »Wohl ist mir nicht dabei, euch einfach so losziehen zu lassen. Wenn ihr meine Kinder wärt, würde ich euch das glattweg verbieten.« Er sah uns nachdenklich an. »Andererseits habe ich das Gefühl, ihr wisst genau, was ihr tut. Wenn ich euch also noch weiter helfen kann, sagt einfach Bescheid.«
Ich wollte ihm seine Illusionen nicht nehmen, deshalb klärte ich ihn nicht darüber auf, dass wir überhaupt keinen Plan hatten. Sonst überlegte er es sich womöglich doch noch anders und hielt uns von der Fahrt in die Wüste ab.
»Und jetzt mache ich uns etwas Leckeres zu essen.« Zakiya klatschte in die Hände und verschwand in der Küche.
»Mich wundert, dass sich der Bibliothekar noch nicht gemeldet hat«, bemerkte ich. »In Edinburgh hat Craig Campbell ihn auf dem Laufenden gehalten. Hier fehlt ihm der Berichterstatter.«
Als hätte er meine Worte gehört, klingelte in dem Moment Larissas Telefon. Am anderen Ende war der Bibliothekar. Wir berichteten ihm, dass wir Hayyid gefunden hatten, aber noch nicht wüssten, wann genau wir aufbrechen würden. Wie üblich war er kurz angebunden und hatte selbst nichts mitzuteilen. Oder er wollte es nicht – denn wie wir wussten, hatte er uns ja auch in der Vergangenheit nicht immer reinen Wein eingeschenkt. Zu gern hätte ich gewusst, welches Spiel er mit uns spielte.
Die Strapazen des Anreisetages, der Klimawechsel und der Zeitzonenunterschied steckten uns noch in den Knochen, und so gingen wir nach dem Essen sofort zu Bett. Am nächsten Morgen begleiteten wir Zakiya erneut zu einem Spaziergang durch die Altstadt von Sanaa. Sie zeigte uns einige Moscheen und die Ghumdan-Festung, bevor sie uns in das Viertel führte, in dem Hayyid lebte.
Es lag zwar außerhalb des Suqs, war aber nicht weniger geschäftig. Es gab kaum ein Gebäude, in dem nicht irgendein Handwerker seinen Betrieb hatte. Schneider, Schmiede, Schuhmacher, Schreiner – nahezu jeder Beruf war hier vertreten. Wir mussten ein wenig suchen, bis wir die Buchbinderei von Hayyids Vater fanden.
Die Werkstatt war zur Straße hin offen. Auf einer Seite stapelten sich unterschiedlich große Bögen von Papier und Leder, ein Schneidegerät und eine Presse. An der gegenüberliegenden Wand stand der Arbeitstisch, an dem ein älterer Mann in seine Arbeit vertieft war. Hinter ihm verpackte eine in die traditionelle jemenitische Sitarah gekleidete Frau gerade ein Buch. Als wir näher kamen, fiel mir auf, dass ihre Handrücken von einem Netz ineinander
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