03 Arthur und die Stadt ohne Namen
eine besondere Bewandtnis. Als wir damals unsere Aufgabe übernommen haben ...«
»Mehr oder minder freiwillig ...«, unterbrach ihn Pomet grinsend.
»... gab es eine Ausnahme von der Regel. Und sie betrifft diesen Ort hier.«
»Die Stadt ohne Namen«, sagte ich.
»Richtig. Ich kann von Córdoba nicht nach Sevilla, aber ich darf in die Wüste reisen, aus der ich einst gekommen bin.«
»Du vielleicht.« Gerrit zeigte mit dem Finger auf den Mauren. »Aber wir sind noch nie hier gewesen. Für uns ist das gewiss nicht so eine Freude wie für dich.«
Der Maure hob beschwichtigend die Arme. »Ihr wisst, dass es heute und hier nicht um Freude geht, sondern um Pflicht. Wir haben schließlich ein Versprechen abgelegt.«
»Auch das nicht ganz freiwillig«, wiederholte Pomet.
Der Akkordeonspieler, der bislang geschwiegen hatte, erhob sich und stellte sich neben den Narren. »Dafür gibt es einige Dinge, die ich gleich ganz freiwillig tun werde«, grollte er.
»Aber, werter Herr, warum denn gleich so böse?« Pomet drückte sich gespielt ängstlich gegen die Mauer. »Der Narr muss sprechen, wenn alle anderen schweigen, um ihnen den richtigen Weg zu zeigen.«
»Den kann ich dir auch weisen.« Der Bologneser beugte sich herab und packte Pomet am Arm, um ihn hochzuziehen.
»Möchtegern-Verseschmied«, brummte McGonagall verächtlich vor sich hin.
»Hey!«, rief ich. »Seid ihr hier, um euch zu streiten oder um uns zu helfen?«
Das brachte die Runde zum Schweigen. Der Akkordeonspieler kehrte zu seinem Platz zurück, und Pomet wischte sich betont sorgfältig das Hemd an der Stelle ab, an der er vom Akkordeonspieler angefasst worden war.
»Entschuldigt unser Verhalten«, sagte Gerrit. »Wir dienen zwar derselben Sache, aber deshalb müssen wir uns nicht unbedingt grün sein.« Er spielte mit seinem Hut, den er vor sich auf den Knien liegen hatte.
»Wir dienen derselben Sache? Manchmal zweifle ich selbst daran«, knurrte der Bologneser.
»Lasst die unschönen Verdächtigungen«, ermahnte der Maure seine Gefährten. »Haben wir nicht schon genug Schaden angerichtet? Und haben wir nicht genug gelitten dafür? Jetzt rückt der Augenblick näher, an dem wir unsere Schuld ein für alle Mal begleichen und die Ruhe finden können, die uns so lange verwehrt geblieben ist.«
»Vielleicht erzählt uns mal einer, was hier eigentlich vorgeht«, sagte Larissa.
»Ihr werdet sicher schon gemerkt haben, dass wir alle nicht aus dieser Zeit sind«, begann Gerrit. »Der Älteste von uns ist der Maure, der schon über tausend Jahre auf dem Buckel hat. Er ist damals mit den Vergessenen Büchern aus der Wüste nach Córdoba gekommen.«
Ich sah den Mauren an. »Dann hatten wir recht mit unserer Vermutung. Sie sind also Badr, der treue Diener Abd ar-Rahmans.«
Er nickte. »Ich war einmal Badr, doch das ist lange her.«
»Aber wie ist das möglich?«, fragte Larissa. »So lange kann doch kein Mensch leben.«
»Dazu komme ich gleich«, fuhr Gerrit fort. »Wir alle waren einmal jemand anderes, als wir heute sind. Doch eines hatten wir, wo und zu welcher Zeit wir auch lebten, gemeinsam: Wir zählten zu den Bewahrern. Und wir alle erlagen der Versuchung der Vergessenen Bücher.«
»Heißt das, ihr seid auf die Seite der Sucher gewechselt?«
Gerrit nickte. »Wir wollten die Macht, welche die Bücher verleihen. So haben wir unseren Auftrag verraten.«
»Aber ihr steht doch auf unserer Seite«, wandte Larissa ein. »Das würdet ihr nicht tun, wenn ihr Sucher wärt.«
»Ganz richtig«, brummte der Bologneser aus seiner Ecke. »Wir haben eingesehen, dass wir einen großen Fehler gemacht haben, und sind zurückgekehrt. Als Buße wurden wir zu dem, was wir heute sind: die Zeitlosen.«
»Wie ihr vielleicht wisst, besteht jedes Lebewesen aus Energie«, erklärte der Maure. »Nach dem Tod verlässt diese Lebensenergie, die manche auch Seele nennen, den Körper und verteilt sich im Universum. Unsere Seelen wurden an die Städte gebunden, in denen wir gelebt hatten. So konnten wir auch nach unserem Tod die Vergessenen Bücher weiterhin beschützen. Dazu dürfen wir uns, wenn es notwendig ist, ein wenig von der Lebensenergie der Bewohner borgen, um wieder eine körperliche Form anzunehmen.«
»Das erklärt auch, warum ihr die Städte, in denen ihr lebt, nicht verlassen könnt«, sagte ich.
Pomet nickte traurig. »Was nicht besonders angenehm ist, wenn man in einem kleinen Nest wie Dubrovnik gelebt hat.«
»Und wie kommt es dann, dass ihr jetzt
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