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03 Arthur und die Stadt ohne Namen

03 Arthur und die Stadt ohne Namen

Titel: 03 Arthur und die Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruebenstrunk Gerd
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bewegen wie meine Arme oder Beine.
    Die Hand begann, meine Wange zu streicheln. Es war das Widerlichste, was ich je gefühlt hatte, und ich konnte nur mit Mühe einen Brechreiz unterdrücken.
    »So jung«, klang eine naive Kinderstimme in meinem Schädel. »So kräftig. So dumm.«
    Die Hand legte sich auf meine Stirn. In rasender Abfolge zogen Bilder vor meinem inneren Auge vorbei. Ich sah die Stadt ohne Namen, wie sie einst gewesen war. Unter einer erbarmungslosen Sonne stand sie auf einem Hochplateau. In ihrer Mitte ragten sieben mächtige Türme auf. Tausende von ausgemergelten Sklaven bevölkerten die Straßen. Unter den Peitschenhieben von Aufsehern schleppten sie Steine heran, mauerten Wände oder hoben Gruben aus.
    Ich sah einen riesigen Saal, in dem Hunderte von Menschen vor einer Statue auf dem Boden knieten, die an Abscheulichkeit nicht zu überbieten war. Ich sah eine verwüstete Welt, über deren Ruinen der kalte Wind des Vergessens wehte. Ich sah die erlöschende Sonne. Ich sah ein Universum, das erkaltet und ohne Leben war. Und über allem spürte ich die Allgegenwart der Schatten, die sich darauf vorbereiteten, das nächste Universum zu verschlingen.
    Die Hand löste sich von meiner Stirn und ich sackte erschöpft an der Hauswand herab.
    »Und ihr wollt es mit uns aufnehmen?«, höhnte die Stimme in meinem Kopf. »Für uns ist eure Existenz nicht viel mehr als ein Sandkorn in der Wüste oder eine Sekunde in der Ewigkeit.«
    Der Junge blickte mich unverwandt an. »Die Zeit der Zusammenkunft ist gekommen. Ihr seid der Schlüssel zu den Vergessenen Büchern. Wir geben euch einen Menschentag Zeit, sie uns zu bringen! Kommt ihr nicht, wird der alte Mann sterben.« Dann verschwand er vor meinen Augen. Schlagartig war auch die Arena leer. Nur der Verwesungsgeruch hing noch in der Luft.
    Ich zog mich an der Hauswand hoch, hinkte zu Larissa hinüber und half ihr auf. »Geht es wieder?«, fragte ich.
    Sie nickte wortlos. An ihrem Hals waren keinerlei Würgemale zu erkennen.
    So schnell wir konnten verließen wir die Stadt und liefen die Stufen zur Eingangshalle empor. Die große Tür stand nach wie vor einen Spaltbreit offen.
    Ich war selten so froh gewesen, die Sonne zu sehen und auf meiner Haut zu spüren, auch wenn sie unerbittlich vom Himmel brannte. Nach der Eiseskälte der Todesstadt war alles besser, selbst die sengende Hitze der Rub al-Khali.
    Wir liefen die Düne auf der gegenüberliegenden Seite empor und hielten erst an, als wir den Gipfel erreicht hatten. Dort ließen wir uns in den Sand fallen und teilten uns den vorletzten Schluck Wasser aus Larissas Flasche.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Larissa. »Woher sollen wir die Vergessenen Bücher bekommen?«
    Ich erinnerte mich an die Stimme in meinem Kopf. Mein Einwand, dass wir die Bücher nicht besaßen, schien die Schatten nicht im Geringsten beeindruckt zu haben. Das konnte nur eins bedeuten.
    »Die Bücher müssen irgendwo in der Nähe sein«, sagte ich.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Die Schatten waren sich so sicher, dass wir die Bücher innerhalb von vierundzwanzig Stunden herschaffen können. Also können sie nicht weit weg sein.«
    »Aber wo? Und wer soll sie hergebracht haben? Wer hätte überhaupt das Wissen und die Fähigkeiten, sie alle zu finden?«
    Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, starrten wir uns an.
    »Der Bibliothekar!«, riefen wir gleichzeitig aus.
    Ich zögerte. »Dann hätte er uns tatsächlich die ganze Zeit hintergangen.«
    »Ich würde es ihm zutrauen«, sagte Larissa.
    »Mal angenommen, er hat wirklich hinter unserem Rücken die Vergessenen Bücher eingesammelt, um sie hierher zu bringen. Warum sollte er das tun?«
    »Er will die Macht über die Schatten. Darum hat er auch das Buch der Leere gestohlen. Ich weiß genau, dass ich es in der Tasche hatte, denn ich habe es immer wieder kontrolliert. Er muss es ausgetauscht haben, während wir Chalids Lager ausspioniert haben.«
    Ich erinnerte mich an den Lichtblitz, den ich bei unserer Herfahrt bemerkt hatte. Und das Licht, das ich während meiner Nachtwache gesehen hatte. Ob das der Bibliothekar gewesen war?
    »Das bedeutet, er hat jetzt alle dreizehn Vergessenen Bücher in seiner Hand«, sagte ich. »Und wenn er das Buch der Leere ausgetauscht hat, kann er nicht weit von hier sein.«
    Larissa stand auf. »Dann sollten wir diese Seite des Lagers mal genauer absuchen.«
    Ich hielt die leere Wasserflasche hoch. »Viel Zeit dafür haben wir nicht. Länger als eine Stunde

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