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03 Arthur und die Stadt ohne Namen

03 Arthur und die Stadt ohne Namen

Titel: 03 Arthur und die Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruebenstrunk Gerd
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wie von einer unsichtbaren Hand auseinandergerissen und gegen die Wände zweier gegenüberliegender Häuser geschleudert. Ich sah mich hektisch nach unserem Angreifer um, aber die Straße, der Platz und das Theater waren leer wie zuvor.
    »Du musst es rausholen!«, schrie ich.
    Larissa fummelte an der Klappe des Umschlags herum. Ihr Gesicht wurde kreidebleich.
    »Es ist weg!«, rief sie und hielt den Band in die Luft. »Jemand hat das Buch der Leere gegen ein anderes ausgetauscht!«
    Mein Herzschlag setzte einen Moment lang aus. Keinen Plan zu haben, war schon schlimm genug. Aber ohne den Schutz des Buches waren wir den Schatten hilflos ausgeliefert.
    Ein schrilles Kreischen, das mir durch Mark und Bein fuhr, löste das bösartige Summen ab. Die Luft um uns herum erwärmte sich mit einem Schlag, so als würde uns ein heißer Wüstenwind ins Gesicht wehen.
    In der Arena bewegte sich etwas. Zunächst schien es, als würde sich das Dunkel dort unten verdichten, bis es zu einer undurchdringlichen Schwärze wurde. Dann schälten sich wie aus dem Nichts sieben Gestalten hervor. Sie waren in dunkle Umhänge gehüllt und ihre Gesichter waren unter weiten Kapuzen verborgen. Ich kniff die Augen zusammen, aber es gelang mir nicht, die Umrisse der Gestalten genau zu erkennen. Ihre Silhouetten verschwammen und waren nur schwer vom Dunkel um sie herum zu trennen.
    Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Mir wurde übel von den widerlich schmatzenden Lauten, die die Wesen ausstießen, und dem widerwärtigen Geruch nach Verwesung, der die Höhle plötzlich erfüllte.
    Mit einem Schlag verstummte das Geschmatze und die Kälte kehrte zurück.
    »Endlich«, dröhnte eines der Wesen. »Endlich kehren die Vergessenen Bücher dorthin zurück, wohin sie gehören.«
    »Und ihr werdet sie uns bringen«, erklang eine zweite Stimme. Sie war, wie die erste, so tief und schwarz wie die Gestalten vor uns und bohrte sich direkt in meinen Schädel. Unwillkürlich drückte ich die Hände an die Ohren, aber das zeigte keinerlei Wirkung. Jedes Wort ließ mein Zwerchfell vibrieren und drehte mir fast den Magen um.
    »Oder der Großvater des Mädchens wird sterben«, tönte eine dritte Stimme in mir.
    »Aber ...«, hob ich an. Im nächsten Moment wurde ich zu Boden geschleudert.
    »Manieren«, zischte eine vierte Stimme. »Euch fehlt der Respekt. Das Mädchen hat unserem Bruder bereits die Hochachtung versagt, die er verdient. Und nun wagst auch du es, deine Stimme zu erheben.«
    Ich setzte mich auf und rieb mir die schmerzenden Knochen. Im selben Augenblick sah ich, wie Larissa sich an den Hals fasste. Ihr Gesicht verzerrte sich und sie stieß einen röchelnden Laut aus. Ich sprang auf und versuchte, zu ihr zu laufen, aber eine unsichtbare Kraft hielt mich an der Wand fest. Es war wie in einem Albtraum: Ich lief und lief und kam doch nicht von der Stelle.
    Larissas Gesicht war bereits dunkelrot angelaufen, als der unsichtbare Angreifer von ihr abließ. Sie sog die Luft mit offenem Mund ein und sackte erschöpft zu Boden.
    »Ihr bringt uns die Bücher!«, befahl die zweite Stimme. »Dann kommt ihr vielleicht mit dem Leben davon. Und eure Angehörigen auch.«
    »Aber wir haben die Vergessenen Bücher nicht«, stieß ich hervor, bevor man mir wieder einen Schlag versetzen konnte.
    Stattdessen stand plötzlich eine der Gestalten, die sich gerade noch unten in der Arena befunden hatte, direkt vor mir. Ich wollte vor Schreck einen Satz nach hinten machen, konnte aber nicht weiter zurückweichen, weil ich bereits mit dem Rücken zur Hauswand stand.
    Die Konturen des Wesens verloren mehr und mehr an Schärfe. Mir wurde schwindlig und ich schloss unwillkürlich die Augen.
    Als ich sie wieder öffnete, stand ein kleiner Junge vor mir. Er sah aus wie aus einem alten Foto ausgeschnitten: kurze Lederhose, grob kariertes Hemd, geringelte Kniestrümpfe und Bundschuhe. Der Kopf war, im Verhältnis zum Körper, zu groß, und die Augen waren schwarz wie die Nacht.
    Dies war kein Junge. Dies war die Karikatur eines Jungen, zusammengesetzt aus halb vergessenen Eindrücken und Erinnerungen.
    Und genau das war das Schreckliche. Denn ich erkannte diese Erinnerungen wieder. Sie stammten aus meinem Kopf.
    Es war ein altes Foto meines Vaters im Alter von sechs Jahren, das bei uns zu Hause an der Wand hing. Nur dass das hier nicht mein Vater war.
    Der Junge streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus. Ich versuchte, den Kopf zur Seite zu reißen, konnte ihn aber ebenso wenig

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