03 Arthur und die Stadt ohne Namen

dankbaren Blick. Hayyid brummelte etwas vor sich hin, widersprach aber nicht. So marschierten wir los zur Stadt der Schatten.
    Wir kamen nur langsam voran, denn wir konnten keine Taschenlampen verwenden, um Chalids Männer nicht auf uns aufmerksam zu machen. Außerdem wussten wir nicht, ob er nicht einen oder mehrere von ihnen als Wachen zurückgelassen hatte.
    Nach einigen Fehlversuchen fanden wir in der Dunkelheit schließlich die Düne, die keine war. Weder vor noch hinter dem Eingangstor war etwas von einem Wachtposten zu sehen. Vorsichtig durchquerten wir den Vorraum und begannen den Abstieg zur Stadt.
    Der Bibliothekar ging mit seinem Koffer voran. Larissa und ich folgen ihm, Hayyid und Amina bildeten den Schluss.
    Als wir den Platz am Fuß der Treppe erreicht hatten, öffnete Brodsky den Koffer und zog das Buch der Leere heraus. »Es ist wohl besser, ich trage das direkt bei mir«, erklärte er.
    Ich erinnerte mich daran, dass Burke das Buch in Edinburgh hatte anfassen müssen, um seine Wirkung zu spüren. Wenn das bei den Schatten auch der Fall war, überließ ich dem Bibliothekar gerne den Vortritt. Nach meiner letzten Begegnung mit ihnen konnte ich gar nicht genug Abstand zwischen mir und diesen Kreaturen halten.
    »Schützt das Buch der Leere nur seinen Träger? Oder auch seine Begleiter?«, fragte ich ihn, während wir uns dem Platz näherten.
    »Das werden wir gleich erfahren.« Er warf mir einen Blick zu, der wohl aufmunternd sein sollte. »Keine Angst, mit der Macht der Bücher werde ich uns alle schützen können.«
    Von Chalid und seinen Helfern war ebenso wenig zu sehen wie von Larissas Eltern. War das nun ein gutes Zeichen oder nicht? Wir schwiegen, bis wir kurz vor dem Platz mit dem Amphitheater waren.
    Als wir aus der Häuserreihe traten, schrie Larissa auf.
    Auf dem Stein in der Arena lagen ihre Eltern. Sie waren gefesselt und geknebelt.
    Larissa lief sofort los. Ich versuchte noch, ihren Arm zu ergreifen, konnte sie aber nicht mehr halten. Sie sprang die Stufen vor uns herunter. Ich wollte gerade hinter ihr herstürzen, als mir ein heißer Windstoß ins Gesicht fuhr und die Luft von einem hohen Sirren erfüllt wurde. Wie aus dem Nichts tauchten die schwarzen Umrisse der Schatten in der Arena auf.
    Das Geräusch verstummte abrupt. In der plötzlichen Stille konnte ich mein Herz rasen hören.
    »Komm zurück!«, rief der Bibliothekar Larissa zu. »Nur das Buch kann dich schützen.«
    »Nur das Buch kann dich schützen«, wiederholte eine grollende Stimme, die mir erneut durch Mark und Bein fuhr, seine Worte. Ich glaubte, ein dumpfes, freudloses Lachen zu hören.
    Larissa zögerte. Die Schatten versperrten ihr den Weg zu ihren Eltern. Nur widerwillig kletterte sie die Stufen zu uns zurück.
    Der Bibliothekar nahm das Buch der Leere aus der Plastikumhüllung, schlug es auf und streckte es den Schatten entgegen. Dabei begann er, eine Litanei in einer mir unbekannten Sprache zu rezitieren.
    Den Pilotenkoffer mit den übrigen Vergessenen Büchern hatte er neben sich abgestellt. Aus einem Impuls heraus zog ich ihn zu mir her.
    Und das war keine Sekunde zu früh.
    Mit einem Mal fielen die Umhänge der Schatten wie leere Hüllen zu Boden. In der Arena standen sieben Männer. Jeder von ihnen glich dem Bibliothekar bis aufs Haar.
    Der oberste Bewahrer war so überrascht, dass er seine Rezitation unterbrach.
    Seine Doppelgänger hoben ihre Arme und richteten sie auf ihn.
    Wie von einer unsichtbaren Hand gepackt, erhob sich der Bibliothekar langsam in die Luft. Krampfhaft hielt er das Buch der Leere hoch und begann wieder mit seinen Beschwörungen. Er stieg und stieg, bis er etwa einen Meter über unseren Köpfen schwebte.
    Ich drückte Larissa, die inzwischen wieder neben mir stand, den Koffer in die Hand. Irgendetwas würde gleich geschehen, das spürte ich.
    Unvermittelt setzte ein Heulen ein, als ob wir von Tausenden von Schakalen umgeben wären. Eine der Gestalten in der Arena machte eine kreisende Bewegung mit dem ausgestreckten Arm. Sie war so schnell, dass ein Mensch sie niemals hätte vollführen können.
    Das Heulen steigerte sich zu einem unbeschreiblichen Gebrüll, das mir fast die Trommelfelle platzen ließ.
    Der Bibliothekar wurde in der Luft hin und her geschüttelt wie ein nasser Lappen. Sein Körper nahm Verrenkungen an, die kein Mensch schadlos überstehen konnte. Er flog nach rechts, dann wieder nach links, dann wieder krümmte er sich. Die Beine wurden ihm auseinandergerissen und die