03 Arthur und die Stadt ohne Namen
»Außerdem ist das ein Wissen, das nur wenigen Bewahrern vorbehalten ist.«
»Und wir gehören nicht dazu?«, rief Larissa, deren Geduld mit unserem Gast offenbar zu Ende ging.
Er blieb in der Tür stehen. »Ihr seid weit gekommen. Aber ihr könnt euch nicht mit Bewahrern messen, die seit vielen Jahrzehnten das Geheimnis der Vergessenen Bücher erforschen.«
»So wie Sie.« Der Sarkasmus in Larissas Stimme war nicht zu überhören.
Den Bibliothekar schien das nicht zu stören. »Ja, so wie ich. Und wie viele andere über die Jahre hin. Wir haben den Büchern unser Leben gewidmet, während es für euch nichts anderes ist als ein Ferienabenteuer.«
Diese Antwort verschlug sogar Larissa die Sprache. Ich fand es gar nicht übel, dass er nun endlich mal die Katze aus dem Sack ließ. Er war einfach neidisch auf uns! Wir, zwei in seinen Augen unerfahrene Kinder, hatten nicht nur das Register von Leyden gefunden, sondern auch mehrere der Vergessenen Bücher, während er, der sein ganzes Leben die Geschicke der Bücher studiert hatte, nie so weit gekommen war. Da war das jetzt eine willkommene Gelegenheit, uns zu zeigen, wer seiner Meinung nach der Wichtigere von uns war.
Wir verkniffen uns nur mühsam eine Antwort. Erst als er den Raum verlassen hatte, atmete Larissa spürbar aus. »Ich weiß schon, warum ich ihn nicht mag.«
Ich versuchte, die Sache von der scherzhaften Seite zu sehen. »Da hat er es uns aber ordentlich gegeben«, sagte ich, obwohl ich es wirklich nicht lustig fand.
Larissa auch nicht. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lass es uns einfach vergessen.«
Das taten wir dann auch. Den Rest des Wochenendes gingen wir ihm möglichst aus dem Weg. Das war nicht schwierig, da er auch nicht viel Lust auf unsere Gesellschaft zu verspüren schien.
Am Montagmorgen schafften wir als Erstes das Register in den Banktresor zurück. Anschließend besuchten wir den Bücherwurm ein letztes Mal, um uns von ihm zu verabschieden. Nachdem wir zu Hause die letzten Sachen eingepackt hatten, riefen wir ein Taxi, das uns zum Flughafen bringen sollte. Der Bibliothekar begleitete uns nicht, worüber wir nicht besonders traurig waren.
»Ich werde heute ebenfalls abreisen und nach Prag zurückkehren«, sagte er, als wir unsere Koffer ins Taxi wuchteten. »Von dort kann ich eure Suche besser koordinieren.«
Larissa und ich sahen uns vielsagend an.
»Außerdem werde ich mich täglich bei euch melden, um mich über den Fortschritt eurer Nachforschungen zu informieren«, fügte er hinzu.
Larissa wollte etwas erwidern, hielt sich aber zurück. Sie kletterte zu mir ins Taxi. Der Bibliothekar wartete nicht einmal ab, bis wir aus seinem Blickfeld verschwunden waren, sondern kehrte sofort ins Haus zurück.
Ich wusste, dass Larissa am liebsten hiergeblieben wäre, um in der Nähe ihres Großvaters zu sein. Natürlich war ihr klar, dass die Reise nach Edinburgh und die Konfrontation mit den Schatten der beste Weg war, ihm zu helfen. Trotzdem fiel ihr der Abschied schwer.
Im Flughafen checkten wir unser Gepäck ein und gingen direkt durch die Sicherheitskontrolle zu unserem Gate, das noch relativ leer war. Larissa ließ sich auf einen Sitz fallen, lehnte den Kopf nach hinten und schloss ohne ein weiteres Wort die Augen. Ich zog den Reiseführer von Edinburgh hervor, um mir damit die Zeit bis zum Abflug zu vertreiben. Es konnte nicht schaden, gut vorbereitet zu sein.
Uns schräg gegenüber nahm ein Mädchen Platz. Sie hatte schulterlanges, blondes Haar und ein schmales, zartes Gesicht. Im Gegensatz zu Larissa war sie geschminkt, was ihre Augen und Lippen betonte. Ich schätzte sie etwa auf unser Alter. Sie schien allein zu reisen, denn die Stühle neben ihr waren nicht besetzt. Weil sie das einzig Interessante im ganzen Raum war, schweiften meine Blicke immer wieder zu ihr herüber. Einmal sah sie von der Zeitschrift auf, die sie las, und bemerkte mein Interesse. Sie lächelte mir zu und ich lächelte zurück.
Ich linste verstohlen zu Larissa, die nach wie vor die Augen geschlossen hatte. Ich wusste nicht, ob sie ein Nickerchen hielt oder einfach nur nachdachte. Auf jeden Fall fiel ihr mein kleiner Flirt mit dem Mädchen gegenüber nicht auf, was mich ermutigte, sie noch häufiger anzusehen. Jeder neue Blickkontakt dauerte ein wenig länger, und sie schien das Spiel genauso unterhaltsam zu finden wie ich.
Viel zu früh wurde unser Flug aufgerufen. Larissa schlug die Augen auf und erhob sich. Im Gedränge vor dem
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