03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Meine Versuche, die eisige Atmosphäre durch etwas Small Talk aufzutauen, wurden von ihr lediglich mit einem unwirschen Brummen beantwortet. Wahrscheinlich hatte sie sich die ganze Zeit zurechtgelegt, was sie mir sagen wollte, denn jetzt sprudelte es aus ihr heraus.
»Wo ist denn deine kleine Freundin geblieben?«
Ich stellte mich dumm. »Wen meinst du?«
»Ach, Arthur, was bist du für ein süßer Junge«, säuselte sie mit hoher Stimme. »Ruf mich doch an, damit wir beide uns mal allein die Stadt ansehen können.«
»So war das nicht«, protestierte ich.
»Ach, und wie war das dann?« Larissa blieb stehen. »Du hast diese Fiona doch schon vor dem Abflug angeschmachtet. Und dann erst im Flieger!«
»Ich dachte, du hast geschlafen.«
»Das hättest du wohl gerne«, höhnte sie. »Jedes Wort habe ich mitgekriegt, das ihr euch zugesäuselt habt.«
»Hey«, sagte ich. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
»Eifersüchtig? Ich?« Sie stieß einen undefinierbaren Laut aus. »Warum sollte ich denn eifersüchtig sein?«
»Keine Ahnung.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber du führst dich so auf. Und das völlig ohne Grund. Meinst du etwa, ich bin an Fiona interessiert?«
»Und warum habt ihr dann eure Telefonnummern ausgetauscht? Wenn ich an jemandem kein Interesse habe, gebe ich ihm auch nicht meine Nummer.«
»Sie kann uns vielleicht noch nützlich sein«, verteidigte ich mich. »Sie kennt sich in Edinburgh gut aus.«
»Ach so. Das war eine reine Vernunfthandlung.«
Manchmal konnte sie mich müde machen. »Hör zu, Larissa. Fiona ist mir völlig egal, ehrlich. Klar habe ich mich über ihre Aufmerksamkeit gefreut. Welcher Junge würde das nicht tun? Sie sieht gut aus und ist nicht dumm. Aber das heißt nicht, dass ich mich in sie verknallt habe.«
»Das beruhigt mich ja ungemein.« Ihre Stimme tropfte vor Sarkasmus. »Dann ist ja alles in Ordnung. Worauf warten wir noch?«
Sie machte sich wieder auf den Weg. Ich folgte ihr und entschied mich, erst mal nichts weiter zu sagen. Vielleicht würde sie sich von selbst beruhigen.
Auf jeden Fall fing unser Besuch in Edinburgh gut an.
Edinburgh
Neue Bekanntschaften
Wenig später saßen wir in einem typisch britischen Doppeldeckerbus, der uns in die Innenstadt brachte. Wir hatten Plätze in der ersten Reihe der oberen Ebene ergattern können und genossen den Ausblick, der sich uns bot.
Zunächst war ich verblüfft, weil der Bus auf der falschen Straßenseite fuhr, aber dann fiel mir ein, dass in Großbritannien ja Linksverkehr herrscht. Trotzdem war es komisch, alle Autos auf der verkehrten Seite zu sehen. Wir fuhren durch lange Vorortstraßen, an deren Rändern sich ein kleines Häuschen an das nächste reihte. Nach etwa zwanzig Minuten wurden die Einfamilienhäuser von höheren Bauten abgelöst und kurz darauf erreichten wir das Stadtzentrum.
Der Bus hielt an der Haymarket Station, einem der beiden großen Bahnhöfe der Stadt. Um das Bahnhofsgebäude herum war ein dichtes Gedränge von Menschen, die entweder zum Zug wollten, aus dem Bahnhof kamen oder einfach nur unterwegs zu einem der benachbarten Geschäfte waren.
Bis hierhin sah alles nach einer typischen Großstadt aus. Doch dann fuhr der Bus weiter in die Princes Street, die Haupteinkaufsstraße Edinburghs. Allerdings hat sie nicht viel mit den Einkaufszonen in unseren Städten zu tun, denn Princes Street ist nur auf einer Seite bebaut. Zu unserer Rechten erstreckten sich die berühmten Princes Street Gardens, ein lang gezogener Park mit Konzertbühnen, zahlreichen Statuen und zwei großen Museen.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Parks ragte der Felsen mit dem Edinburgh Castle und den dunklen Häuserreihen und Kirchtürmen von Edinburghs Altstadt, der Old Town, auf.
Ich zeigte auf den Park. »Wusstest du, dass das hier früher die Toilette von Edinburgh war?«
Larissa sah mich angewidert an. »Du meinst, die Leute haben ihr Geschäft im Park verrichtet?«
»Schlimmer«, grinste ich. »Dort befand sich bis vor etwa dreihundert Jahren ein großer See, das Nor Loch. Damals gab es keine Entwässerung, und die Menschen, die in der Altstadt lebten, kippten ihre Fäkalien einfach auf die Straße. Die liefen dann den Hügel herunter und sammelten sich im See.«
»Bääh.« Larissa verzog angewidert das Gesicht. »Das muss ja fürchterlich gestunken haben.«
»Und gesund war es auch nicht. Außer für die Pflanzen, die hier heute ganz wunderbar gedeihen. Die Edinburgher meinen, das
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