03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Abfertigungsschalter verlor ich meine neue Bekanntschaft aus dem Blick.
Wir saßen im hinteren Drittel der Maschine. Ich ließ Larissa ans Fenster und nahm für mich den Platz in der Mitte, in der Hoffnung, dass der Sitz links neben mir frei blieb, um nicht so eingequetscht zu werden. Im Wartebereich war es nicht besonders voll gewesen, also war die Maschine wohl nicht ausgebucht.
Wir hatten uns kaum in unsere Sitze gezwängt, als das blonde Mädchen von vorhin neben unserer Reihe auftauchte.
»Ich glaube, ich sitze hier«, sagte sie und deutete auf den Platz neben mir.
Ich nickte nur stumm. Sie zog ihre Jacke aus und stopfte sie in das Gepäckfach über uns. Dann versuchte sie dasselbe mit ihrem kleinen Rollkoffer. Er musste ganz schön schwer sein, denn sie bekam ihn nicht richtig in die Höhe.
»Könntest du mir wohl mal helfen?«, fragte sie mich und lächelte.
»Klar.« Ich schälte mich aus meinem Sitz und trat in den Gang. Sie machte nur einen winzigen Schritt zur Seite, sodass ich mich gegen ihren Körper drücken musste, um genügend Raum zum Manövrieren des Koffers zu haben. Ihr schien das nichts auszumachen. Ich wurde von ihrem Parfüm eingehüllt, das einen dezent fruchtigen Duft besaß.
Ich nahm den Koffer hoch, der wirklich das Gewicht von zehn Backsteinen hatte, und schob ihn ins Gepäckfach. Dabei hätte ich mir beinahe das Handgelenk verrenkt. Ich biss die Zähne zusammen, denn ich wollte nicht, dass das Mädchen etwas merkte. Mit einem leicht gequälten Lächeln glitt ich in meinen Sitz zurück.
»Vielen Dank«, lächelte sie. »Ich bin Fiona. Und wie heißt du?«
»Arthur«, stammelte ich und ergriff ihre ausgestreckte Hand. Sie hielt sie einen Moment länger fest, als unbedingt nötig gewesen wäre, und ich konnte das Brennen von Larissas Blick in meinem Nacken spüren.
»Und das ist Larissa«, sagte ich, als sie mich endlich losließ. »Wir fliegen gemeinsam nach Edinburgh.«
Obwohl das Flugzeug gut beheizt war, wurde es für einen Augenblick frostig, als die beiden sich anblickten.
»Hi, Larissa«, sagte Fiona ohne viel Enthusiasmus.
»Hi«, erwiderte Larissa mit dem gleichen demonstrativen Desinteresse. Das blieben die einzigen Worte, die die beiden während des gesamten Fluges miteinander wechseln sollten.
Fiona wandte stattdessen ihre ganze Aufmerksamkeit mir zu. Larissa, die das bemerkte, zog ihren Pullover über den Kopf, rollte ihn zusammen und klemmte sich ihn unters rechte Ohr. Dann legte sie ihren Kopf an die Flugzeugwand und schloss die Augen.
Ich wusste natürlich, dass sie nicht schlief, aber was sollte ich tun? Wenn sie Fiona nicht leiden konnte, hieß das nicht, dass ich ebenso empfinden musste. Und meine neue Bekanntschaft war eine ausgesprochen nette Person.
Sie berichtete, dass sie nach Edinburgh flog, um dort eine Stelle als Au-pair-Mädchen anzutreten.
»Muss man dafür nicht volljährig sein?«, fragte ich.
Fiona lachte und brachte damit jede Faser meines Körpers zum Vibrieren. »Ja, das muss man. Ich bin vor einem Monat achtzehn geworden.«
Ich grinste verlegen. »Das sieht man nicht«, stammelte ich und kam mir dabei wie ein pubertierender Dreizehnjähriger vor. »Ich meine, du siehst schon erwachsen aus, aber irgendwie auch wieder so wie ... wie ...«
»Wie ein junges Mädchen?«, half sie mir.
Ich nickte erleichtert. »Genau.«
Sie tätschelte mir die Hand. »Und was machen deine Freundin und du in Edinburgh?«
»Öhh ...« Ich warf einen schnellen Seitenblick auf Larissa, deren Augen nach wie vor geschlossen waren. »Wir besuchen unseren Onkel.«
»Euer Onkel ist Schotte?« Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Nicht direkt. Er ist vor einigen Jahren eingewandert«, improvisierte ich.
»Aha.« Sie hatte diese Art, einen unverwandt anzuschauen, auch wenn sie nicht mehr sprach. Ich fühlte mich fast wie in der Schule. Erwartete sie jetzt eine Bemerkung von mir? Oder gehörten diese Pausen einfach zu ihrer Art, sich zu unterhalten?
»Wir haben gerade Osterferien«, bemerkte ich, nur um etwas zu sagen.
»Ich weiß«, lächelte sie.
Ich begann zu schwitzen. Ihr Parfüm benebelte mir die Sinne. Ich deutete auf den Reiseführer in meiner Hand. »Ich will mich noch ein wenig vorbereiten.«
»Dann warst du noch nie zuvor in Edinburgh?«
»Nein«, erwiderte ich. »Und du?«
»Ich habe dort mal ein halbes Jahr als Austauschschülerin verbracht«, sagte sie. »Ich würde nie zum Arbeiten in eine Stadt gehen, die ich nicht kenne.«
»Das klingt
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