03 - Der Herr der Wölfe
Kettenhemd nur zu zeremoniellen Zwecken tragen. Übrigens gebe ich ihr recht. Schon viele Frauen haben an Stelle ihrer verstorbenen Ehemänner oder unmündiger Söhne regiert. Und meistens … «
»Meistens fanden sie ein schlimmes Ende.«
»Nicht immer Wir beide kennen unsere Geschichte, Astrologe.«
»Soll Melisande ihr Leben allein verbringen und nichts weiter tun, als ihr Eigentum zu verteidigen?«
»Nein. Aber sie ist stark genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, und eine ausgezeichnete Schwertfechterin … «
» … die jeder starke Mann besiegen würde.«
»Ein schwächerer nicht.«
»Außerdem hasst sie den Krieg.«
»Wie wir alle.«
Stöhnend sank Ragwald tiefer in seinen Sessel hinab. »Habt Ihr noch etwas von dem hervorragenden Burgunderwein übrig mein Herr? Den bräuchte ich jetzt nach Euren beängstigenden Reden.«
Der Graf lachte und stand auf. »Natürlich!« Er schürte das sterbende Feuer, dann füllte er die Becher für sich selbst und seinen alten Freund und Ratgeber. »So sorglos, wie Ihr vielleicht glaubt, bin ich nicht. Ich habe mir einige Männer, die meiner Tochter vielleicht würdig wären, sehr genau angesehen.«
»Und?«
Manon strich über sein Kinn. »Einer ist der Neffe eines Freundes, ein irischer Prinz.«
Krampfhaft schluckte Ragwald. »Der Sohn des norwegischen Wolfs?«
»Der Sohn des Mannes, der Dubhlain eroberte und aufbaute und die Tochter des Ard-Righs, des hohen irischen Königs, zur Frau nahm.« Der Graf lehnte sich in seinen Stuhl zurück. »Ich habe mächtige Feinde, und wir werden immer wieder von Eindringlingen bedroht. Wer könnte einer Invasion besser begegnen als der Nachfahre eines kriegerischen Geschlechts?«
Erschrocken schüttelte Ragwald den Kopf. »Ich glaube, Ihr seid ver … « Doch dann unterbrach er sich hastig. So eng er auch mit dem Grafen befreundet war, er hielt es für unklug, ihn verrückt zu nennen. »Vorhin spracht Ihr von Liebe. Melisande erlebte zahllose Invasionen mit, und sie hörte all die Schreckensgeschichten. Glaubt Ihr, sie wird sich jemals in einen, Wikinger verlieben?«
Gelassen zuckte Graf Manon die Achseln. »Genauso gut könnte man ihn einen Iren nennen. Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Hier seht Ihr einen Becher Wein, Ragwald. Er ist halb voll - oder halb leer. Doch es ist auf jeden Fall besser, den guten Wein zu genießen, als zu bedauern, dass sich keine größere Menge im Becher befindet. Und ich spreche von einem großartigen Wein.«
»Diese Logik verstehe ich nicht.«
Der Graf lächelte. »Nun, wir werden sehen. Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht. In unserer Nachbarschaft besuchte ich mehrere Adelsfamilien und beobachtete die Söhne. Gerald versichert mich seiner Freundschaft, und er zeigt Interesse an Melisande. Allerdings weiß ich nicht, ob er sie selbst zur Frau nehmen oder mit seinem Sohn vermählen will. Wie Ihr unentwegt betont, muss ich meine Stellung festigen. Deshalb habe ich diesen halben Wikinger hierher eingeladen. Die beiden jungen Leute sollen sich kennenlernen, und wenn sie keinen Gefallen aneinander finden, vergessen wir die ganze Sache.«
»Wie soll sich ein so blutjunges Mädchen, ein Kind, eine Meinung über einen Mann bilden!« erwiderte Ragwald ungehalten.
»Auch Conar von Dubhlain ist sehr jung, noch keine einundzwanzig. Trotzdem hat er schon an zahlreichen Feldzügen teilgenommen, mit seinem Vater, seinen Brüdern und Onkeln. Angeblich kann er ausgezeichnet mit seinem Schwert umgehen.«
»Das wird Melisande natürlich sofort beeindrucken.«
»Übrigens war er schon einmal hier, vor langer Zeit. Sein Onkel segelte oft an unserer Küste entlang - weniger als Eindringling, sondern vielmehr als Kaufmann. Wir haben einen Friedenspakt geschlossen, und Conar wäre es seinen Verwandten und seiner Ehre schuldig, meiner Tochter in allen Nöten beizustehen.«
Ragwald schnaufte geringschätzig. »Die Ehre eines Wikingers!«
»Wie gesagt, er ist ein ungewöhnlicher Wikinger. Durch ein Ehebündnis ist sein Bruder mit Alfred von Wessex verwandt. Und viele Mädchen in den Häusern, die ich besuchte, würden nur zu gern in die Arme eines Wikingers sinken - wenn es Conar wäre. Auch Euch müsste er eine angenehme Überraschung bereiten, mein Freund.«
Ein seltsames Unbehagen erfasste Ragwald, und er fröstelte ein wenig. »Wann wird dieser irische Wikinger bei uns eintreffen?«
»Bald. Natürlich werden noch einige Jahre verstreichen, ehe ich Melisande erlaube, Hochzeit
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