03 - Der Herr der Wölfe
vorteilhafte Heirat arrangieren lässt?«
»Nun, ich habe Melisandes Mutter geliebt«, erwiderte der Graf versonnen, »und als ich sie verlor, kam es* mir nie in den Sinn, mich noch einmal zu vermählen. Liebe ist etwas Wunderbares, Ragwald. Auch Ihr müsstet es einmal damit versuchen.«
»Das soll wohl ein Scherz sein!«
»O nein, Vater meint es ernst«, versicherte Melisande.
Verwirrt schüttelte Ragwald den Kopf. »Graf Manon, wie Ihr Euch gewiss entsinnt, habt Ihr die Dame Mary auf Wunsch Eures Vaters geheiratet. Die Liebe wuchs erst später.« Er räusperte sich leicht verlegen. »Nach meiner Ansicht entsteht das Wunder der Liebe im Lauf der Zeit, durch das Zusammenleben.«
»Trotzdem will ich es meiner Tochter gönnen.«
»Mein Herr … «
»Reden wir heute abend nicht mehr darüber. Ich bin erschöpft von der Reise, und nun will ich euch beiden die, Geschenke geben.« Manon stand auf und ging zu einer der vielen Truhen, die man ins Schloss gebracht hatte. Mehrere Stricke umschlangen sie, und er zog sein Messer hervor, um sie zu durchschneiden. Dann hob er den, Deckel hoch und ergriff einen Lederbeutel, den er Ragwald überreichte. »Das müsste Euch eine Weile beschäftigen, mein lieber Astrologe.«
»Und -was ist es, mein Herr?«
»Schaut nur hinein, es wird Euch nicht beißen. Dieser Beutel enthält Heilkräuter. Ich kaufte sie einem griechischen Arzt ab, der im Dienst der Burgunderprinzessin steht. Ein sehr kluger Mann. Die Kräuter sind in der ganzen Welt gefragt.«
Ragwald lächelte erfreut. Auch die Chemie zählte zu den Wissenschaften, die er bevorzugte. Die Heilkräfte der Kräuter und die Kunst, sie möglichst wirksam zu mischen, faszinierten ihn. Vorerst vergaß er seine Sorge um Melisandes Zukunft.
»Und das ist für dich, meine liebe Tochter«, verkündete der. Graf und nahm ein vergoldetes Kettenhemd aus der Truhe. Erstaunt legte Ragwald den Beutel beiseite und starrte es an. Es war ungewöhnlich engmaschig und würde den meisten scharfen Klingen standhalten. Trotzdem, sah es schön und feminin aus. Üppige Verzierungen glitzerten im Feuerschein.
»Wie wundervoll, Vater!« rief Melisande entzückt.
»Du wirst es natürlich nur zu zeremoniellen Anlässen tragen.«
»Natürlich«, bestätigte sie und nahm das Kettenhemd fast ehrfürchtig entgegen.
»Bald wirst du es brauchen, denn du musst in Zukunft öfter mit mir ausreiten und lernen, wie die Ländereien und die Festung verwaltet werden.«
»O Vater!« Glücklich und dankbar umarmte sie ihn.
Er küsste ihre Stirn. »Aber nun musst du dich zurückziehen. Ich bin sehr müde.«
»Ja, sicher, Vater«, stimmte sie sofort zu und fragte sich reumütig ob sie ihn vielleicht überanstrengt hatte. »jetzt wo du wieder zu Hause bist, macht es mir nichts aus, so früh schlafen zu gehen. Denn morgen kann ich mit dir zusammensein - und in all den nächsten Tagen und Wochen und … «
»Ich glaube, der Graf hat Euch ins Bett geschickt, Melisande«, fiel Ragwald ihr mit strenger Stimme ins Wort.
Lächelnd drückte sie einen Kuss auf seine Wange. »Auch Euch liebe ich, Ragwald. Gute Nacht.« Sie küsste und umarmte ihren Vater noch einmal, dann lief sie nach oben, das Kettenhemd immer noch in der Hand. .
Ragwald setze sich und seufzte tief auf. »Mein Herr, viele Männer glauben, das Römische Reich wäre nur deshalb untergegangen, weil den Frauen zu viele Rechte zugestanden wurden.«
Da brach der Graf in schallendes Gelächter aus. »Wer s7o denkt, muss ein sehr schwacher Mann sein.«
»Wir leben in einer Feudalgesellschaft.« Eifrig beugte sich Ragwald vor. »Die Stärke dieser Festung beruht auf Eurer Macht, auf Euren Fähigkeiten. Und es ist die Pflicht einer Frau, ihrem Herrn Kinder zu schenken, seinen Haushalt zu führen … «
»Meine Tochter weiß ein Schwert zu schwingen. Ich habe sie bei ihren Übungen mit dem Waffenlehrer beobachtet.«
In seinen Augen ist sie einfach vollkommen,- und er erkennt die Gefahren nicht, dachte Ragwald bedrückt. Er liebte Melisande ebenfalls, und gerade deshalb machte er sich Sorgen. »Sicher, sie ist klug und begabt, aber ein stärkerer Mann würde sie übertrumpfen. Habt Ihr das Kettenhemd erworben, damit Sie mit Euren Gefolgsleuten in den Krieg ziehen kann? Wollt Ihr sie von einem Schwert verwundet sehen, ihren Schädel von einer Schlagkeule gespalten? Einem Pfeil mag ihre Rüstung trotzen, ihr Hals sicher nicht.«
»Ich beabsichtige keineswegs, Melisande in den Kampf zu schicken, und sie soll das
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