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03 - Der Herr der Wölfe

03 - Der Herr der Wölfe

Titel: 03 - Der Herr der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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… «
    Mit energischer Stimme fiel der Graf ihm ins Wort. »Und nach dem Gesetz gibt es keinen Grund, warum eine Tochter ihren Vater nicht beerben sollte, wenn er keinen Sohn hat.«
    Ragwald seufzte tief auf. »Dies ist eine starke Burg, mein Herr. Keiner, der sie kennt, hat es gewagt, sie anzugreifen. Und die Fremden, die einzudringen versuchten,
    richteten ihr Augenmerk sehr schnell auf leichtere Beute. Also wäre es durchaus möglich, dass jemand Eure Tochter zu heiraten wünscht, um sich in den Besitz der mächtigen Festung zu bringen.«
    »Aber sie ist erst zwölf Jahre … «
    »Fast dreizehn. Und manche Kinder werden schon bei der Geburt vermählt.«
    »Versprochen«, korrigierte Manon den alten Mann.
    »Wo liegt da der Unterschied?« fragte Ragwald ungeduldig. »Viele Mädchen in Melisandes Alter sind bereits Ehefrauen.«
    »Nun, daran soll sie sich kein Beispiel nehmen«, erwiderte der Graf eigensinnig, dann zögerte er. »Es sei denn … «
    Hastig trat Melisande hinter ihren Vater, legte ihm eine Hand auf die Schulter und schaute Ragwald an. »Wusstet Ihr mein teurer Lehrer«, begann sie in honigsüßem Ton, »dass König Charlemagne seine Töchter nicht verheiratete, sondern bei sich behielt, unter seinem Dach, weil er sie mit niemandem teilen wollte?«
    Ragwald winkte verächtlich ab. »Und welch ein elendes Leben diese Mädchen führten! Sie blieben ledig, nahmen sich Liebhaber und bekamen uneheliche Kinder. «
    »Aber - ich bin ebenso gut ausgebildet wie ein junge … «
    »Glaubt Ihr auch, Ihr wärt so stark wie ein Mann?«
    »Das nicht, aber so stark wie die besten Frauen. Ihr habt mich auf die Kräfte meines Geschlechts hingewiesen, Ragwald. Denkt an Fredegund, die Gemahlin des Königs Chilperic! Sie spann ihre Intrigen, bis seine erste Königin verstoßen und gemeuchelt wurde, und sobald sie an der Macht war, sorgte sie für zahlreiche Attentate.«
    »Allerdings!« fauchte Ragwald. »Und dann wurde sie gefoltert und hingerichtet.«
    »Oh, Ihr versteht nicht, worauf es ankommt!« rief sie und eilte aufgeregt hinter dem Stuhl ihres Vaters hervor. »Sie konnte genauso viel Staub aufwirbeln wie irgendein Mann.«
    Müde schüttelte er den Kopf. Der Graf musterte seine Tochter liebevoll und belustigt. Sie war ein unglaublich kluges, wissensdurstiges Mädchen, und trotz ihrer Jugend erkannte sie, was die Untertanen ihres Vaters erwarteten - dass sie heiraten und alle Macht ihrem Ehemann übertragen würde. Aber sie wollte behalten, was sie als ihr alleiniges Eigentum betrachtete. Ihr Entschluß stand fest.
    »Und was sagen die Sterne, mein werter Astrologe?« fragte Manon lächelnd.
    Manchmal schien er die alte Wissenschaft der Astrologie zu respektieren. Viel öfter amüsierte er sich allerdings darüber, so wie über die alten römischen Göttersagen, die Geschichten von Jupiter, der verschiedene Tiergestalten annahm, um Frauen zu verführen. Ragwald hätte das Studium der Sterne normalerweise verteidigt, aber an diesem Abend vermochte er es nicht. Neuerdings hatte er das seltsame Gefühl, er wäre irgendwie erblindet. Er beobachtete den Mond und wusste, wann die Gezeiten wechselten, wann die Menschen guter Dinge oder missgelaunt waren, wann Babys geboren wurden oder wann gewissen Leuten der Wahnsinn drohte.
    Doch statt der unmittelbaren Zukunft sah er nur eine grausige schwarze Leere, die ihm Angst einjagte. »Die Sterne künden, dass Eure Tochter heiraten muss, um ihrer Sicherheit willen«, antwortete er eindringlich.
    »Vielleicht«, entgegnete der Graf leise und lächelte Melisande. an.. »Aber für mich ist sie immer noch ein Kind, und ich möchte ihre Meinung über die wenigen Männer hören, die ich möglicherweise in Erwägung ziehen werde.«
    »Die Meinung eines - Kindes!« gab Ragwald zu bedenken.
    »Eines gebildeten Kindes«, betonte sie, die violetten Augen voller Genugtuung.
    Der Lehrer wollte ihr mit dem Finger drohen, dann ließ er seufzend die Hand sinken. Sein Schützling war viel zu altklug. Gedankenverloren starrte der Graf ins Feuer, beobachtete das phantastische Farbenspiel der Flammen, lauschte dem Knistern, dem Knacken der Holzscheite. »Ich möchte, dass sie aus Liebe heiratet.«
    »Liebe!« wiederholte Ragwald verblüfft. Er war langsam auf und ab gegangen, und nun wandte er sich so plötzlich zu Manon, dass sein weiter, fadenscheiniger Mantel ihn umflatterte wie einen heidnischen Tänzer. »Liebe! Wer zerbricht sich denn über einen solchen Unsinn den Kopf, wenn sich eine

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