03 Die Auserwählten - In der Todeszone
Lächeln.
»Danke«, murmelte Thomas. Er gab sich die größte Mühe, nicht wieder in das schwarze Loch zu fallen. Doch Chuck und Newt gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Lawrence unterbrach seine Arbeit und drehte sich zu ihm um. »Ich werde dir diese Frage nur einmal stellen.«
»Welche?«
»Willst du dieses Wagnis ganz sicher eingehen? Alles, was ich über die Leute von ANGST weiß, stinkt zum Himmel. Sie kidnappen, foltern, morden – sie schrecken vor nichts zurück, um zu kriegen, was sie wollen. Dich da allein reinzuschicken ist doch Wahnsinn.«
Doch Thomas hatte keine Angst mehr. »Ich komm schon zurecht. Seht bloß zu, dass ihr mich irgendwann wieder abholt.«
Lawrence schüttelte den Kopf. »Entweder bist du der mutigste Junge, den ich je getroffen habe, oder komplett verrückt. Jedenfalls solltest du duschen und frische Klamotten anziehen – guck mal in den Spind.«
Thomas hatte keine Ahnung, wie er im Moment aussah, höchstwahrscheinlich wie ein bleicher, lebloser Zombie mit toten Augen. »Okay«, erwiderte er und zog los, um zu versuchen, wenigstens einen Teil des Schreckens von sich abzuspülen.
Das Berk neigte sich zur Seite und Thomas hielt sich an einer Stange fest, während der Gleiter runterging. Die Ladeluke öffnete sich langsam mit lautem Quietschen, obwohl sie noch 30 Meter über dem Boden waren, und kühle Luft fegte durch die Öffnung herein. Das Dröhnen der Düsen wurde lauter. Thomas konnte sehen, dass sie über einer kleinen Lichtung in einem Wald voller schneebedeckter Kiefern schwebten – sie standen so dicht, dass das Berk nicht landen konnte. Er würde springen müssen.
Das Schiff sank tiefer und Thomas machte sich bereit.
»Viel Glück, Kleiner«, sagte Lawrence. »Ich würde dir raten aufzupassen. Aber du bist ja kein Idiot, also lass ich’s.«
Thomas lächelte und hoffte, er würde zurücklächeln. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er das brauchte. Aber es kam nichts. »Okay. Dann versteck ich das Gerät, sobald ich drin bin. Es wird sicher keine Probleme geben. Stimmt’s?«
»Klar, und mir fliegen Eidechsen aus den Nasenlöchern, würde ich mal sagen«, antwortete Lawrence, doch seine Stimme klang freundlich. »Los jetzt. Wenn du unten bist, läufst du da lang.« Er zeigte nach links in Richtung Waldrand.
Thomas zog den Mantel an, setzte sich den Rucksack auf, ging vorsichtig die lange Rampe der Ladeluke hinunter und hockte sich an die Kante. Der schneebedeckte Boden war nicht viel mehr als einen Meter entfernt, trotzdem musste er vorsichtig sein. Er sprang und landete an einer weichen Stelle – ein frischer Schneehaufen. Die ganze Zeit über war er innerlich wie betäubt.
Er hatte Newt getötet.
Er hatte seinen Freund in den Kopf geschossen.
Auf der Lichtung lagen tote Bäume herum, die vor langer Zeit gefällt worden waren. Thomas war von hohen, dicken Kiefernstämmen umgeben, die bis in den Himmel ragten, wie eine Mauer aus gigantischen, majestätischen Türmen. Er hielt die Hand vor die Augen, um sich vor dem scharfen Wind zu schützen, als das Berk zum Aufsteigen seine Düsen anfeuerte, und beobachtete, wie das Schiff nach Südwesten verschwand.
Die Luft war klirrend kalt, und der Wald wirkte frisch, als hätte er eine neue Welt betreten – einen Ort frei von Krankheit. Er war sich nicht sicher, wie viele Menschen dieser Tage so etwas zu sehen bekamen, und dachte, dass er ziemliches Glück hatte.
Er zurrte seinen Rucksack fest und brach in die Richtung auf, die Lawrence ihm gezeigt hatte. Er wollte so schnell wie möglich ankommen. Je weniger Zeit ihm blieb, um darüber nachzudenken, was er Newt angetan hatte, desto besser. Er wusste genau, dass ihm die einsame Wanderung durch die Wildnis viel zu viel Gelegenheit dazu geben würde. Nach ein paar Schritten ließ er die verschneite Lichtung hinter sich und trat in den tiefen Schatten der Kiefern. Augenblicklich wurde er von ihrem wohltuenden Duft eingehüllt, und er tat sein Bestes, sein Gehirn abzuschalten und an gar nichts mehr zu denken.
Das gelang ihm ganz gut, während er sich auf den Weg, die Aussicht, die Geräusche der Vögel, Eichhörnchen und Insekten und den angenehmen Geruch konzentrierte. Seine Sinne waren solche Eindrücke nicht gewohnt, schließlich hatte er sein Leben, zumindest soweit er sich daran erinnern konnte, größtenteils in geschlossenen Räumen verbracht. Vom Labyrinth und der Brandwüste ganz zu schweigen. Wie er so durch den verschneiten Wald stapfte, konnte er sich kaum
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