03 Die Auserwählten - In der Todeszone
hier nennt man Shopping Center – es ist eine sehr große Einkaufspassage, die an der gesamten Stadtmauer entlang verläuft. Darin gibt es zum größten Teil Läden, aber auch Büros und Restaurants.«
»Ich habe noch nie im Leben so viele …« Er verstummte. Ein Mann in einer dunkelblauen Jacke kam geradewegs auf sie zu, den Blick auf Thomas geheftet. Er lächelte nicht.
»Hey«, flüsterte Thomas und wollte die anderen auf den Unbekannten aufmerksam machen.
Der Mann war bereits bei ihnen. Er nickte nur kurz und verkündete: »Uns ist bekannt, dass es Flüchtlinge geben soll, die aus dem ANGST-Hauptquartier ausgebrochen sind. Da ihr mit einem Berk gelandet seid, vermute ich, dass ihr zu dieser Gruppe gehört. Ich empfehle euch, meinem Ratschlag zu folgen. Ihr braucht keine Angst zu haben. Wir bitten nur um eure Mithilfe; wenn ihr kommt, steht ihr unter unserem Schutz.«
Er händigte Thomas einen Zettel aus, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand ohne ein weiteres Wort.
»Leck mich am Arsch«, sagte Minho. »Was war das denn? Was steht auf dem Zettel?«
Thomas las ihn vor. »Da steht: ›Ihr müsst sofort zu mir kommen – ich gehöre zu einer Gruppe, die sich Der Rechte Arm nennt. Kommt zur Ecke Kenwood und Brookshire, Apartment 2792.‹«
Als Thomas die Unterschrift unten auf dem Blatt sah, schnürte es ihm die Kehle zu. Mit kreidebleichem Gesicht sagte er: »Er ist von Gally.«
Thomas und Minho brauchten nichts zu erklären. Brenda und Jorge hatten schon lang genug bei ANGST gearbeitet, um zu wissen, wer Gally war. Dass er ein Außenseiter auf der Lichtung und bitterer Rivale von Thomas gewesen war – auf Grund der Erinnerungen, die Gally bei der Verwandlung zurückgewonnen hatte. Doch Thomas sah in ihm nichts anderes als den Besessenen, der das Messer auf Chuck geworfen hatte, der dann in Thomas’ Armen verblutet war. Thomas war völlig ausgerastet – er hatte auf Gally eingeprügelt, bis er dachte, dass er ihn umgebracht hatte. Aber jetzt war er doch erleichtert bei der Vorstellung, dass er das offensichtlich nicht getan hatte – falls dieser Brief tatsächlich von Gally stammte. Thomas hasste den Typen zwar, aber ein Mörder wollte er trotzdem nicht sein.
»Das kann unmöglich derselbe Gally sein«, wandte Brenda ein.
»Warum nicht?«, fragte Thomas; die Erleichterung verebbte schon wieder. »Was ist aus ihm geworden, als wir weggebracht wurden? Ist er …«
»Gestorben? Nein. Er lag eine Woche oder so auf der Krankenstation, bis es seinem gebrochenen Wangenknochen besser ging. Aber der Bruch war nichts im Vergleich zu seinem seelischen Schaden. Er wurde benutzt, um Chuck umzubringen, weil die Psychologen meinten, die Muster wären wertvoll. Es war alles geplant. Chuck wurde auch dazu gezwungen, sich vor dich zu werfen.«
Aller Zorn, den Thomas auf Gally gehabt hatte, verlagerte sich auf ANGST und fachte seinen lodernden Hass auf die Organisation weiter an. Gally war ein kompletter Idiot gewesen, aber wenn das stimmte, was Brenda gerade gesagt hatte, hatten ihn die Leute von ANGST nur als Instrument missbraucht. Und dass es kein Fehler gewesen war, dass Chuck umgekommen war und nicht er selbst, machte Thomas nur noch wütender.
Brenda fuhr fort: »Ich habe mitbekommen, dass sich einer der Psychologen diese Mordszene ausgedacht hat, nicht nur wegen der Variablen für dich und die Lichter, die sie miterleben … sondern auch für Chuck in den letzten Momenten seines Lebens.«
Einen kurzen, aber beängstigenden Augenblick glaubte Thomas, dass er vor Wut durchdrehen würde – dass er sich irgendeinen Fremden aus der Menge greifen und ihn so windelweich prügeln würde wie damals Gally.
Er atmete tief durch und fuhr sich mit zitternder Hand durch die Haare. »Mich überrascht gar nichts mehr«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen aus.
»Gally kam nicht zurecht mit dem, was er getan hatte«, sagte Brenda. »Er ist komplett abgedreht und musste weggeschickt werden. Wahrscheinlich ging man davon aus, dass ihm sowieso niemand diese Geschichte abkaufen würde.«
»Und warum meinst du dann, das könnte er nicht sein?«, fragte Thomas. »Vielleicht hat er sich ja wieder eingekriegt und irgendwie hierher durchgeschlagen.«
Brenda schüttelte den Kopf. »Möglich ist natürlich alles. Aber ich habe ihn damals gesehen – er hat sich verhalten, als hätte er Den Brand. Er hat in Stühle gebissen und gespuckt und rumgeschrien und sich die Haare ausgerissen.«
»Ich habe ihn auch mal
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