03 - Feuer der Liebe
als
Zustimmung.
»Ich dachte mir, du würdest gern
eine Geschichte aus Indien hören«, sagte sie. »Diese hier hat meine aya mir
erzählt und dann habe ich sie Kasi erzählt. Im Lauf der Zeit hat sie sich
verändert, aber so ist das nun mal bei Geschichten. Die Geschichte beginnt
dort, wo sie endet: in einem großen Palast am Rand von Barahampore. An der
einen Seite des Palastes floss der Bohogritee entlang, ein dunkler, gewundener
Fluss, und auf der anderen Seite befand sich ein Markt für Singvögel. Der
Palast war aus hohen gewölbten Marmorpfeilern errichtet und überall mit Bildern
von Vögeln geschmückt, die vor seinen Toren zum Verkauf standen. Über jedem
Bogen spielten morgens und abends Musiker auf verschiedenen Instrumenten und
ahmten den lieblichen Gesang der Vögel nach.«
Quill hatte ihre Stimme mit dem
heiseren Timbre schon immer als sehr sinnlich empfunden; nun bemerkte er, dass
sie ein Instrument war, das seine Besitzerin wie eine Harfe einsetzte.
»Der Prinz, der in dem Palast lebte,
war der größte Künstler von allen, der beste Musiker in ganz Indien. Sein Name
war Mamarah Daula. Er konnte jedes beliebige Instrument in die Hand nehmen und
so gut darauf spielen, dass es den Steinen Tränen entlockte. Die Menschen
strömten aus allen Teilen Indiens herbei, um seine Musik zu hören, und so
lebte er in nie da gewesener Eleganz und Pracht. Schätze aus allen Ländern
wurden bei der Ausstattung seines Hauses verwendet. Er trug Schuhe aus
karmesinrotem Samt, die mit Silber verziert waren, und er reiste niemals ohne
eine Eskorte von mindestens zwanzig oder dreißig Dienern. Mamarah Daula war ein
vom Glück reich beschenkter Mann. Darüber hinaus war er ungewöhnlich dumm.«
Quill verfiel in einen stummen
Schwebezustand, der ganz anders war als die zornige, einsame Starre, die sonst
seine Migräne begleitete. Die Abenteuer des Prinzen unterhielten ihn ungefähr
eine Stunde lang, und anschließend fiel er in einen tiefen, festen Schlaf,
statt wie sonst immer wieder von seinen Schmerzen aus einem unruhigen Schlaf
gerissen zu werden.
Gabby kehrte am Abend zu ihm zurück
und hielt seine Hand, während
sie ihm von Daulas dreißigstem Geburtstag erzählte. Offensichtlich schenkte
Sakambhari, die Göttin der Bäume, Daula ein Musikinstrument, das die schönste
Musik der Welt erzeugte. Aber Sakambhari warnte ihn davor, dass das Instrument
ihm furchtbare Kopfschmerzen verursachen würde, wenn er es für eitle oder
selbstsüchtige Zwecke benutzte.
Um Quills Mundwinkel zuckte es.
Gabby erging sich in lyrischen Beschreibungen über die Musik, die Daula mit
seinem neuen Instrument machte.
»Sag, war das Instrument eine
Flöte?«, fragte er schließlich mit rauer, brüchiger Stimme.
Wären seine Augen nicht von einem
feuchten Tuch bedeckt gewesen, hätte er die schelmischen Grübchen seiner Frau
sehen können. »Das ist gut möglich«, stimmte sie ihm zu. »Indische Musiker
machen wunderschöne Musik mit ihren ... Flöten.«
Am nächsten Morgen ließ der Schmerz
nach und Quill übergab sich in Gabbys Anwesenheit nicht ein einziges Mal.
Unglücklicherweise konnte Mamarah Daula seinen Stolz nicht zügeln. So
bescherte seine Flöte ihm einen schrecklichen Kopfschmerz nach dem anderen.
Im Nachhinein betrachtet dauerte
Quills Anfall genauso lange wie üblich, doch seine Migräne war weniger stark.
Er machte sich hinsichtlich der Gründe nichts vor. Gabby mit ihrem süßen Duft,
ihrer lieblichen Stimme und ihren albernen Geschichten verschaffte ihm
Linderung und Trost — und er nahm all das von ihr an, obwohl er wusste, dass er
es nicht verdiente. In den dunklen Stunden der Nacht lag er wach und starrte
auf die Wand. Sein Magen revoltierte — diesmal nicht wegen eines Brechreizes,
sondern weil er sich verachtete. Seine bezaubernde Gabby verdiente einen Mann,
der die gleiche provokative Schönheit besaß wie sie, einen Mann, der — aber
beim bloßen Gedanken an diesen Mann versteiften sich seine Muskeln. Er würde
diesen Mann lieber töten als ihm zu gestatten, dass er sich seiner betörenden
Gabby auch nur näherte. Sie war sein.
Am Morgen hatte Quill nach langem
Ringen seine enormen Schuldgefühle endlich beiseite geschoben und sich folgende
Rechtfertigung zurechtgelegt: Vornehmen Frauen missfiel der sexuelle Verkehr im
Grunde. Das war allgemein bekannt. Gabby war ohne Zweifel entsetzt über seine
Migräne, doch sie würde schon bald die drei Tage Freiheit genießen, in denen
ihr verkrüppelter Ehemann nicht
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