03 - Feuer der Liebe
die
Leidenschaft einer Frau, die bereits im zarten Alter von fünf Jahren verstand,
wie wichtig ein erster Eindruck war. Sie hatte viel Spaß dabei gehabt, sich
zusammen mit Mademoiselle Lucille, einer von Madames Assistentinnen, in La
Belle Assemblée Bilder von Kinderkleidern anzuschauen. »Ich werde das
Kleid mit den Puffärmeln tragen«, sagte sie. »Und meine Mama wird mich umso
mehr lieben.«
Gabby runzelte die Stirn und wollte
gerade etwas erwidern, als der Lakai die Tür der Kutsche öffnete. Es machte sie
ein bisschen nervös, den Viscount und die Viscountess kennen zu lernen. Was,
wenn die beiden ebenso enttäuscht von ihr waren, wie Peter es zu sein schien?
Aber es gab keinen Viscount. Und
bald nach dem Betreten des Salons kam ihr der Verdacht, dass sie dem Viscount
womöglich niemals begegnen würde.
»Thurlow hat geschlafen und
geschlafen«, sagte die Viscountess weinend und rang die Hände. »Als ich ihn
schließlich aufweckte, blickte er mich an, doch er wusste gar nicht, wer ich
bin.«
Quill stand stumm in der Mitte des
Zimmers. Peter wurde kreidebleich und ließ sich in einen Sessel sinken.
»Letzte Nacht hat er mich dann
erkannt«, fuhr die Viscountess fort. »Aber der Arzt hält es für sehr
unwahrscheinlich, dass er je wieder seine Gliedmaßen benutzen kann. Am
schlimmsten ist jedoch, dass er offensichtlich nicht mehr sprechen kann! Als
ich ihm heute Morgen erklärte, dass ich nach London muss, um euch zu erzählen,
was passiert ist, da hat er mich aber ganz bestimmt gehört. Denn als ich ihn
bat, die Augen zu schließen, falls er mich verstehen konnte, da tat er es. Er
blinzelte mit den Augen.«
Sie weinte nun heftiger. Quill trat
neben sie und nahm sie ungelenk in die Arme. Kitty streckte ihren freien Arm
aus, und als Peter auf sie zuging, drehte sich Gabby um und flüchtete aus dem
Raum. Der Anblick von Kitty Dewland, die sich an ihre Söhne klammerte, trieb
ihr die Tränen in die Augen. Sie hatte ihr ganzes Leben lang versucht, ihrem
Vater zu gefallen, aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, sie in den Arm zu
nehmen oder ihr ein Kompliment zu machen.
Gabby schluckte schwer und stieg die
Treppe zu ihrem Schlafnimmer hinauf. Wenn sie ehrlich war, wäre sie
wahrscheinlich sogar dankbar, wenn ihr Vater einen Anfall hätte und nicht mehr
sprechen könnte. Ein schrecklicher Gedanke.
Ich würde mich um ihn kümmern,
verteidigte sich Gabby in Gedanken. Aber als sie sich die Fürsorge ausmalte,
die sie ihrem Vater angedeihen lassen würde, erkannte sie, dass es nur
ein weiterer Versuch wäre, seine Liebe zu gewinnen. Ein vergeblicher Versuch.
Wenn es eine Lektion gab, die Gabby seit ihrer Kindheit gelernt hatte, dann
die, dass man die Liebe nicht erzwingen konnte, egal, wie viel Mühe man sich
gab.
Gabby klingelte und nach einem
Moment erschien Margaret. »Ich werde Ihre Zofe«, sagte Margaret glücklich. »Mrs
Farsalter hat es bestätigt.«
»Wie schön«, erwiderte Gabby. »Dann
hilf mir um Himmels willen, dieses infernalische Korsett zu lockern.«
Margaret blickte sie überrascht an,
öffnete dann jedoch die kleinen Knöpfe, die sich hinten an Gabbys
orangefarbenem Tageskleid befanden.
Als Margaret das Korsett so weit
gelockert hatte, dass Gabby einen tiefen Atemzug tun konnte, saß das Kleid an der
Vorderseite noch enger.
Margaret betrachtete es kritisch.
»Mrs Farsalter kann sehr geschickt mit der Nadel umgehen. Vielleicht kann sie
ein wenig Stoff herauslassen?«
»Das hat Madame Carême bereits
getan. Ich werde einfach diesen Schal umlegen. Siehst du? Wenn ich damit meine
Vorderseite bedecke, wird niemand bemerken, dass das Oberteil ein wenig zu eng
ist.«
»Sind Sie sicher, Miss? Wir könnten
das Korsett ein wenig enger schnüren.«
»Auf gar keinen Fall. Ich bin mir
ziemlich sicher, dass wir das Mittagessen zu Hause einnehmen werden.« Gabby
vermutete, dass Peter der Einzige war, der das unpassend enge Oberteil bemerken
würde.
Margaret nickte. »Angesichts des
schlechten Zustands des Viscounts werden Sie wahrscheinlich sofort heiraten.
Vielleicht wird Mr Peter eine Sondergenehmigung beantragen.«
Gabby sah sie neugierig an.
»Ich wollte nicht unverschämt
klingen, Miss. Mr Codswallops Onkel hat einmal einen solchen Anfall erlitten
und bei ihm dauerte es nicht lange. Für die Familie bricht dann die Trauerzeit
an.«
»Oh ja, natürlich«, murmelte Gabby.
Margaret wollte wahrscheinlich damit zum Ausdruck bringen, dass man während
der Trauerzeit nicht heiraten konnte. Noch
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