03 - Feuer der Liebe
der Inbegriff
von Eleganz. »Ich ...« Sie tat einen vorsichtigen Atemzug, da ihr das enge
Korsett nicht mehr gestattete. »Ich fand schon immer, dass Orange eine hübsche
Farbe ist, Madame.«
»Orange? Das ist Orangenblüte, nicht
Orange! Ich entwerfe nicht in einer solchen Farbe«, erwiderte Madame Carême
ungehalten. »Und der Saum ist mit bestem Chinchilla besetzt«, fügte sie hinzu.
Inzwischen hatte sich Gabby langsam
an Madames scharfe Zunge gewöhnt. »Ich fürchte nur, dass ich für dieses
bezaubernde Kleid einfach zu präsent bin.« Gabby hatte das Gefühl, als würde
ihr das Fischbeinkorsett die Brüste bis zum Schlüsselbein hochdrücken.
Außerdem schien das Kleid vorne ein wenig zu eng. Sofort befahl Madame den
Mädchen, unter Gabbys Arm etwas herauszulassen, und das Kleid wurde ihr wieder
über den Kopf gezogen.
»Etwas stimmt nicht, nein, nein«,
murmelte die modiste leise vor sich hin.
Wieder umkreiste sie Gabby. »Ich muss noch ein wenig darüber nachdenken. Diese
Farbe bringt zum Beispiel Ihr Haar nicht genug zur Geltung.«
Gabby blickte in den Spiegel. Eines
der Mädchen steckte ihr gerade die gelösten Locken nach oben.
»Und der Rock ist zu schmal für
Sie«, fuhr Madame fort.
Gabby hatte an dem Kleid beim besten
Willen nichts zu bemängeln, abgesehen von der Tatsache, dass sie darin kaum
atmen konnte.
»Wir müssen eine neue Mode
kreieren«, sagte Madame. »Diese französischen Schnitte sind nichts für Sie. Und
damit Sie Monsieur Dewland ebenbürtig sind, müssen Sie perfekt gekleidet sein,
verstehen Sie.«
Sie schien außerordentlich bedrückt.
Daher versuchte Gabby sie zu trösten, auch wenn sie persönlich nicht wusste,
was an dem Kleid auszusetzen war. »Große Taten sind niemals einfach, Madame.
Denken Sie nur an den Menschen, der dieses Höllending von Korsett erfunden hat.
Es kann ihm nicht über Nacht gelungen sein, all die Materialien zu verbinden
und zu verweben.«
Zum ersten Mal, seit sie das
Etablissement betreten hatte, schien Madame sie — Gabby - anzusehen und nicht
nur ihre Kleidung. Madame wirkte einen Moment lang vollkommen verdattert.
Gabby blickte sie schelmisch an.
Langsam mochte sie die reizbare Französin. »Ich sehe es bereits vor mir«, fuhr
sie fort. »Sie werden mich von einer ... einer Maus in eine Königin verwandeln,
und wenn ich an Peters Arm den Ballsaal betrete, wird ganz London beiseite
treten und mich mit offenem Mund anstarren. Sie werden nur eine einzige Frage
auf dem Herzen haben: Wer hat Miss Jerninghams Kleid angefertigt?«
Gabby fand immer mehr Gefallen an
ihrer Geschichte. Sie senkte die Stimme. »Ich werde es nicht sofort verraten«,
versprach sie. »Ich werde sie alle zappeln lassen, bis sie sich danach
verzehren zu erfahren, welche modiste diese Verwandlung
bewerkstelligt hat.«
Madames Mundwinkel zuckten. »Sie
geben keinen Pfifferling auf Kleider, nicht wahr, Miss Jerningham?«
»Nein«, gestand Gabby. »Aber ich
werde mir Mühe geben, denn es scheint Peter sehr wichtig zu sein.«
»Es gibt in der Mode eine große
Wahrheit«, sagte Madame offen. »Wenn eine Frau keine persönliche Ausstrahlung
besitzt, kann ihr auch das schönste Kleid der Welt nicht helfen. Ich habe
einmal eine Debütantin in eine exquisite Kreation gehüllt und vorher genau
gewusst — ich war mir ganz sicher —, dass die Männer ihr keine Beachtung
schenken würden. Aber bei Ihnen — nun, die Männer schenken Ihnen Beachtung,
nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte
Gabby. »Mein Vater hat mir nur selten erlaubt, Angehörigen des anderen
Geschlechts zu begegnen. Und es spielt auch keine große Rolle mehr, denn ich
werde ja Peter heiraten.«
»Ja«, sagte Madame und musterte sie
einen Moment lang sorgenvoll. »Dennoch werde ich eine neue Mode für Sie kreieren.
Und ich garantiere Ihnen, Miss Jerningham, danach werden sämtliche Männer in
London darum betteln, die Spitzen Ihrer Schuhe küssen zu dürfen.«
»Das klingt sehr schön«, sagte Gabby
lächelnd.
Madame lachte, was wahrlich nicht
sehr oft vorkam. »Sie sind ein Original, Miss Jerningham. Ich habe inzwischen
meine Meinung über diesen Auftrag geändert.«
»Danke«, erwiderte Gabby.
Als Peter seiner zukünftigen Braut
hinterhersah, wie sie Arm in Arm mit der Herzogin von Gisle Madame Carêmes
Etablissement verließ, zog sein gesamtes Leben an seinem geistigen Auge
vorüber.
Gabby sah aus wie ein Kürbis: wie
ein runder, dicker Kürbis. Der Stoff über ihrer Brust spannte und drohte
Weitere Kostenlose Bücher