03 - Feuer der Liebe
Sie ist mit meinem Neffen, einem echten englischen
Gentleman, verlobt. Und der hat die Kolonien noch nicht einmal bereist!«
»Ich wusste, dass dieser Besuch
vergeblich sein würde«, sagte Colonel Hastings ein wenig erschöpft.
Gabby erhob sich grazil und setzte
sich neben den Colonel. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Colonel. Es
wäre mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein. Aber ich fürchte, Lady Sylvia
hat Recht. Ich habe Kasi Rao seit Jahren nicht gesehen. Es war mir nicht
erlaubt, mich mit den Eingeborenen abzugeben. Als wir noch Kinder waren, mögen
wir ja miteinander gespielt haben, aber das ist lange her.« Sie tätschelte dem
Colonel die Hand. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie den Prinzen gefunden
haben. Ich fände es wunderschön, ihn einmal wiederzusehen.«
Quill erinnerte sich an Gabbys
Wunsch, die Kutsche auszuleihen, und seufzte. Kasi Rao Holkar befand sich
zweifelsohne in London. Verdammt, wahrscheinlich war er sogar auf dem gleichen
Schiff nach England gereist wie sie.
»Wie lange wird der Erbe der Holkar
denn schon vermisst?«, erkundigte er sich.
»Das wissen wir nicht«, erwiderte
Colonel Hastings enttäuscht. »Es ist vollkommen unmöglich, von da drüben eine
verbindliche Auskunft zu bekommen. Und, wenn Sie mir diese Bemerkung verzeihen
wollen, Miss Jerningham — Ihr Vater ist außerordentlich stur. Er weigert sich,
uns zu dem Jungen zu führen. Wenn der Holkar-Erbe nicht bald gefunden wird,
wird einer seiner beiden Brüder seinen Platz einnehmen müssen.«
»Die Ostindienkompanie ist von
dieser Vorstellung offenbar wenig begeistert?«, fragte Quill.
»Es ist eine ethische Frage.« Der
Colonel warf einen verlegenen Blick auf die Damen. »Kasi Rao Holkar ist das
einzige Kind, das der Fürst mit seiner Ehefrau hat.«
Quill bezweifelte, dass die
Handelsgesellschaft Kasi nur deswegen auf dem Thron sehen wollte, weil er der
einzige legitime Erbe war. Aber was kümmerte ihn das. Seine Anteile an der Handelsgesellschaft
hatte er vor ein paar Jahren verkauft, als er herausfand, dass die
Gesellschaft die Anweisungen der Regierung, keine weiteren Gebiete einzunehmen,
absichtlich missachtete. Er musste Gabbys Vater insgeheim sogar zustimmen: Kasi
Rao war in seinem Versteck in London viel besser aufgehoben.
Colonel Hastings war aufgestanden
und küsste Lady Sylvia inbrünstig die Hand. Sie verabschiedete sich so albern
und geziert, dass er zutiefst schockiert gewesen wäre, hätte er sie einen
Moment später erlebt.
»Na, Mädchen«, sagte sie schroff,
sobald der Colonel die Bibliothek verlassen hatte. »Wenn Hastings nicht der
größte Narr von ganz England wäre, hätte er sofort die Wahrheit aus Ihnen
herausgeholt. Sie lügen ja erbärmlich schlecht.«
»Ich weiß nicht«, sagte Quill
nachdenklich. »Ich finde, Gabby hat sehr viel Erfindungsgeist bewiesen, wenn
man bedenkt, dass sie genau weiß, wo sich der Prinz befindet.«
Gabby errötete, aber Lady Sylvia
ersparte ihr eine Antwort. »Natürlich weiß sie, wo sich der Junge aufhält! Ich
vermute, ihr Vater hat ihn irgendwo versteckt. Aber Indien ist groß. Sie werden
ihn niemals finden«, schloss Lady Sylvia mit einer gewissen Befriedigung. »Ich
mag diese Burschen von der Ostindienkompanie nicht. Verstehen Sie mich nicht
falsch«, sagte sie an Gabby gewandt. »Aber Richard Jerningham war schon immer
ein Irrer. All das Gerede, Missionar zu werden, er als Sohn eines Herzogs!
Allerdings hat Richard den Jungen vermutlich aus gutem Grund entführt. Nicht,
dass es mich auch nur im Geringsten interessiert, diesen Grund zu
erfahren. Kommt, meine Lieblinge!« Sie nahm zwei ihrer Hunde auf den Arm, aber
der dritte schien verschwunden.
»Mist!«, schimpfte Lady Sylvia, als
Gabby hinter den Ledersesseln in der Bibliothek nach ihm suchte. »Schönheit
ist ein richtig kleines Wiesel. Ich werde Dessie rufen, damit sie nach ihr
sucht.« Und dann befahl sie Gabby majestätisch, ihr zu folgen.
Quill hatte erst nach dem Essen, als
er sich im Salon zu den Damen gesellte, Gelegenheit, Gabby näher zu befragen.
Gabby trug das orangefarbene Kleid, das ihr wie angegossen passte und bei
dessen Anblick er sich wie ein Wüstling vorkam. Wie ein ehrloser, lüsterner
Schuft — ein Mann, der sogar die Verlobte des eigenen Bruders verführen würde.
Es half jedoch rein gar nichts, dass er sich verfluchte.
»Wie alt ist Kasi Rao?« Quill hätte
Gabby alles gefragt, nur um sich von ihrem Anblick abzulenken. Er hatte zwei
Kognak hinuntergestürzt, aber
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