03 - Feuer der Liebe
Stille
umgeben.
Lady Sylvia stieß ein lautes,
schrilles Lachen aus. »Ist das nicht großartig, Colonel Hastings? Hier ist ja
mein teurer Neffe, Mr Dewland. Er wird in der Lage sein, Ihnen all das zu beantworten,
was wir törichten Frauen wirklich nicht beantworten können!«
Colonel Hastings erhob sich und
strahlte. Offensichtlich war er erleichtert, dass ihm nun ein richtiger Mann
dabei helfen würde, diese flatterhaften, aufgescheuchten Weibsbilder zu
befragen.
Bis zu diesem Moment hatte Gabby die
Scharade nicht besonders genossen, aber nach Quills Ankunft wurde sie von einer
plötzlichen Erregung erfasst. Da sie keinen Fächer hatte, klimperte sie
stattdessen mit den Wimpern. »Du meine Güte, Mr Dewland, ich freue mich ja so,
Sie zu sehen! Stellen Sie sich nur vor, der Generalgouverneur hat Colonel
Hastings hergeschickt, um ausgerechnet mich nach der indischen Politik zu
befragen! Und Sie wissen ja, wie schlecht ich mir Namen und Ähnliches merken
kann! Ich schwöre, ich kann mir kaum den Namen meiner Zofe merken.« Sie
schenkte Quill ein bezauberndes Lächeln.
Quill warf Gabby einen flüchtigen
Blick zu und verbeugte sich vor seinem Gast.
Colonel Hastings setzte zu einer
Erklärung an. »Meine Fragen sind nicht ganz so albern, wie die bezaubernde Miss
Jerningham sie darstellt, Mr Dewland. Obwohl ich — wie ich den Damen gerade
sagte — überzeugt bin, dass ich mich vergeblich herbemüht habe. Aber ich diene
einem höheren Herrn, Mr Dewland. Einem höheren Herrn, der sich nicht abweisen
lässt. Der Generalgouverneur von Indien hat mich höchstpersönlich
hergeschickt, um Erkundigungen einzuholen.«
»Du meine Güte.« Quill kam lässig
näher und nahm Platz. »Es ist schwer vorstellbar, dass Wellesley die Hoffnung
hegt, unsere Miss Jerningham könnte etwas über indische Politik wissen.«
»Aber, aber, Mr Dewland«, säuselte
Gabby, »Sie dürfen die Intelligenz einer Dame nicht unterschätzen! Ich bin
sogar überzeugt, dass ich viele Fragen von Colonel Hastings beanworten
könnte.« Sie legte den Kopf schief. »Mal sehen. Ich weiß, dass die Männer der
Ostindischen Handelskompanie praktisch über das ganze Land herrschen.«
»Das ist es ja, Miss Jerningham«,
sagte der Colonel belehrend wie zu einem fünfjährigen Kind. »Die Gesellschaft
hat eben keinen Einfluss auf eine weitläufige Region Indiens, die Maharashtra
genannt wird und in der Sie aufgewachsen sind.«
Gabby lachte liebreizend. »Nun, das
wusste ich auch! Mein Vater hat immer darauf bestanden, dass ich etwas über den
indischen Kontinent lerne. Ich bin in Indore aufgewachsen. Es liegt in
Maharashtra und ist eine der größten Regionen Zentralindiens.« Sie hörte sich
an wie jemand, der das große Einmaleins herunterleiert. »Aber ich bezweifle
nicht, dass Sie, Colonel Hastings, mehr über Indien wissen als ich.«
Colonel Hastings errötete und
schmolz unter ihrem Blick dahin. »Kennen Sie die Holkar-Familie, Miss Jerningham?«
Gabby schien zunächst verwirrt und
platzte dann heraus: »Indore wird von den Holkar regiert!« Sie klatschte in
die Hände. »Nun, wie mache ich mich, Sir?«
»Wunderbar«, lobte Colonel Hastings.
»Wir wüssten gern, wo sich zurzeit der Junge aufhält, der im Haus Ihres Vaters
gelebt hat, Miss Jerningham. Uns ist zugetragen worden, dass Sie und er wie
Bruder und Schwester aufwuchsen. Sein Name ist Kasi Rao Holkar und er ist der
Erbe des Holkar-Throns.«
Quill musterte Gabby mit
verkniffenen Augen. Was zum Teufel hatte sie vor? Wenn sie den Colonel noch
einmal auf diese bewundernde Art anlächelte, erlitt der Alte wahrscheinlich
einen Herzinfarkt.
»Ja, natürlich kenne ich Kasi Rao.«
Gabby kicherte. »Aber, du meine Güte, mein Vater würde niemals erlauben, dass ein
indischer Eingeborener wie mein Bruder erzogen wird, Sir! Schließlich bin ich
eine englische Dame und mein Vater ist der Sohn eines Herzogs!«
»Natürlich«, sagte Colonel Hastings
beschwichtigend. »Aber haben Sie eine Ahnung, wo sich Kasi Rao Holkar zurzeit
aufhält?«
Für einen Moment ließ Gabby die
frivole Maske fallen und klang viel zu intelligent. »Natürlich nicht.«
Blitzschnell schaltete sich Lady
Sylvia ein. »Colonel Hastings, Sie wollen doch hoffentlich nicht behaupten,
dass meine Schutzbefohlene mit einem Inder, einem Wilden, in Verbindung steht?
Meine liebe Gabrielle hat Indien vor vielen Wochen auf einem Schiff in Richtung
England verlassen, und sie hat nicht vor, jemals in dieses gottverlassene
Land zurückzukehren.
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