03 - Feuer der Liebe
für Ihre
Vorstellung vor Colonel Hastings danken«, sagte Gabby. »Es wäre schrecklich,
wenn die Ostindienkompanie herausgefunden hätte, wo sich Kasi aufhält.«
»Es hat mir Spaß gemacht«, gab Lady
Sylvia ein wenig schroff zurück. »Sie sind ein gutes Mädchen, Gabrielle. Mir
gefällt die Art, wie Sie sich um den Jungen kümmern, auch wenn er ein Inder
ist. Ich werde Sie allerdings nicht bei diesem heidnischen Namen Gabby rufen!
Auch wenn Sie tatsächlich etwas von einer Wilden haben,«
Gabby lächelte sie an. »Ich bin eine
sehr dankbare Wilde, und ich glaube nicht, dass ich mit Colonel Hastings ohne
Sie so gut fertig geworden wäre.«
»Nun ja. Jetzt ist es aber Zeit, zu
Bett zu gehen!« Und damit scheuchte Lady Sylvia Gabby und die Hunde aus der
Tür.
Aber Gabby hatte nicht das Bedürfnis
zu schlafen. Der Besuch von Colonel Hastings hatte ihr ein ungutes Gefühl in
der Magengegend beschert.
Sie musste Kasi Rao beschützen.
Offensichtlich war die Ostindische Handelskompanie viel stärker an Kasi
interessiert, als ihr Vater vermutet hatte. Also würde der Plan ihres Vaters,
Kasi in London zu verbergen, irgendwann fehlschlagen. Entweder würde die
Gesellschaft so lange nach ihm suchen, bis sie ihn gefunden hatte, oder sie
würde jemand anderen an seine Stelle setzen und behaupten, sie habe den Prinzen
gefunden.
Gabby hatte vor Monaten in Indien
einen Plan ausgeheckt, um die Handelsgesellschaft aufzuhalten. Ihr Vater hatte
verächtlich den Mund verzogen und den Vorschlag als eine ihrer impulsiven,
idiotischen Ideen abgetan. Sie dachte an Kasis vertrauensvolle Augen und
schluckte. Sie konnte es nicht zulassen, dass man ihn von Mrs Malabright
fortbrachte. Die Vorstellung, dass man Kasi in ein öffentliches Amt zwang, war
schrecklich.
Sie hatte nichts zu verlieren, wenn
sie es versuchte. Man war Kasi auf der Spur, und ihr Vater war nicht hier, um
Nein zu sagen.
Mit einer entschlossenen Bewegung
stand Gabby auf und ging zu dem Schreibpult in der Ecke ihres Zimmers. Sie zog
ein sauberes Blatt Papier hervor, schärfte ihre Feder und begann zu schreiben.
Nach ihrer Einschätzung waren für den Plan vier Briefe nötig, die Indien so
schnell wie möglich erreichen mussten.
Die Adresse, die Gabby dem Kutscher der
Dewlands am nächsten Morgen nannte, lautete Sackville Street. Nach einer
kurzen Fahrt vom St. James's Square aus erreichten sie eine kleine Ansammlung
von Häusern, die zwar ordentlich gestrichen und in gutem Zustand waren, jedoch
sehr bescheiden wirkten.
»D u meine Güte«, sagte
Gabby unsicher, »das unterscheidet sich sehr von dem, woran Kasi gewöhnt ist.«
»Leben Sie denn in einem großen
Haus?«
»O ja, in einem Palast«, erklärte
Gabby ohne jede Bescheidenheit. »Vater liebt den Luxus. Das ist eines der
Laster, die ihm das Leben als Missionar so schwer machen.«
»Das kann ich mir vorstellen«,
bemerkte Quill trocken.
Mrs Malabright war, wie sich
herausstellte, eine geschäftige, gütige Engländerin, die mindestens
fünfundzwanzig Kilo mehr wog als Kasi.
Quill erkannte sofort, warum Gabby
und ihr Vater entschlossen waren, den Prinzen davor zu schützen, dass er den
HolkarThron besteigen musste. Er war sehr klein, hatte sanfte Augen und wirkte
eher wie ein Junge von sieben Jahren. Er betrat den Raum wie ein scheues Reh
eine Lichtung. Sein Blick huschte unsicher von einem Gesicht zum andern und
immer wieder in die Ecken des Zimmers.
Bis er Gabby erblickte. Sofort
rannte er zu ihr und klammerte sich an ihr Kleid. »Erzähl mir eine Geschichte,
Gabby!« Das klang, als hätte er sie noch am gleichen Morgen zum letzten Mal
gesehen.
Gabby nahm sein Gesicht in beide
Hände. »Natürlich werde ich dir eine Geschichte erzählen, mein Liebling. Aber
zuerst denk an deine Manieren.«
Kasi schenkte ihr ein schüchternes,
herzzerreißendes Lächeln. »Namasthe, Gabby.« Dann legte er die
Handflächen aneinander und verbeugte sich leicht.
»Nein, nein«, mischte sich Mrs
Malabright ein. »Wir sind nun in England.«
Kasi machte einen zweiten Versuch.
»Wie geht es Ihnen, Gabby? Sehr angenehm, Sie kennen zu lernen.«
»Das ist für Fremde, Liebes. Du
kennst Miss Jerningham doch«, korrigierte ihn Mrs Malabright.
Er wirkte verwirrt. Dann trat er
zurück und verbeugte sich erneut.
»Wie geht es Ihnen, Miss Fremde? Ich
bin — ich bin — ich bin ...« Er verstummte.
Gabby nickte ernst und machte einen
Knicks. »Vielen Dank, Mr Kasi Rao. Es ist mir eine Freude, Sie kennen zu
lernen.«
Kasis Züge
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