03 - Feuer der Liebe
aber der Eingang zu diesem Ballsaal wurde von einem
Drachen bewacht. Und Sie sind gerade an dessen Wächterin vorbeigeschwebt.«
Emily blickte mit glänzenden Augen
zu ihm auf. »Wie könnte es anders sein? Ich habe doch einen Drachentöter bei
mir.«
Er lachte leise. »Für diesen Sieg
kann ich leider kein Lob beanspruchen. Würden Sie gern tanzen?«
Emily blickte sich um. Überall im
Ballsaal schimmerten und glänzten die unterschiedlichsten Roben: Kleider im neoklassischen
Stil, Kreationen, die mit Satinrosen übersät waren, und Gebilde, deren
Ausschnitt so tief war, dass man das Taillenband mit dem Kragen verwechseln
konnte. »Oh, du meine Güte«, hauchte sie. »Das ist ja wunderbar!« Dann
umklammerte sie Luciens Arm. »Mr Boch, kennen Sie zufälligerweise die junge
Dame neben dem Fenster?«
Lucien blickte in die angewiesene
Richtung. »Meinen Sie die Dame mit den zahlreichen Objekten im Haar?«
»Das ist eine sehr modische Frisur«,
sagte Emily und zog ihn auf die Frau zu. »Sie hat ihr Haar mit weißer Spitze
verziert und ich kann mindestens eine Straußenfeder entdecken.«
»Sie vergessen die zahlreichen
Troddeln«, sagte Lucien missbilligend. »Zufälligerweise kenne ich Cecilia
Morgan und ich stelle sie Ihnen gerne vor.«
Einen Moment später verbeugte er
sich vor Cecilia. Schnell waren Emily und Cecilia — oder Sissy, wie Emily sie
zu nennen aufgefordert wurde — in eine Unterhaltung über die Vorzüge von
rosafarbenen Seidentroddeln gegenüber Straußenfedern vertieft, worüber Lucien
und Sissys stämmiger Gatte, Squire Morgan, völlig in Vergessenheit gerieten.
Im Verlauf des Abends entdeckte
Lucien zu seiner großen Überraschung, dass es ihn keineswegs störte, dass Emily
sich kaum dazu überreden ließ, mit ihm zu tanzen. Stattdessen beobachtete er
sie dabei, wie sie die Frauen der feinen Gesellschaft, aus der man sie
verstoßen hatte, dazu verführte, ihr anfänglich frostiges Verhalten aufzugeben
und mit ihr eifrig über Mode zu plaudern. Emily strahlte förmlich, während sie
die Vorzüge von geschlitzten Ärmeln erörterte. Sie gehört hierher, das wurde Lucien
schmerzhaft bewusst. Nicht in dieses winzige Haus mit den schäbigen Möbeln und
den wenigen Dienstboten. Schließlich unterbrach er sie bei einer lebhaften
Unterhaltung über aus der Mode gekommene Hutmodelle und zog sie auf die
Tanzfläche.
Während sie in seinen Armen durch
den Saal schwebte, kam er zu der festen Überzeugung, dass sie sich graziöser
bewegten als alle anderen Gäste. Dieser Gedanke berauschte ihn ein wenig, aber
nicht so sehr wie Emilys schlanker Körper in seinen Armen.
Als sie den Ballsaal betraten,
umspielte ein so süßes, kleines Lächeln Gabbys Mundwinkel, dass es Peter
überraschte. Gabby schien sich auf den Abend ebenso zu freuen wie er. Er war natürlich
etwas nervöser als sonst. Gewöhnlich empfand er ein prickelndes Gefühl der
Erregung, wenn der Abend näher rückte, der ihm Stunden voller Vergnügen und
ungeahnter Möglichkeiten verhieß. Mit jedem Ball, so bildete er sich ein,
festigte sich seine Position in der eleganten Gesellschaft. Bei jeder Unterhaltung
war er bemüht, sich in das bestmögliche Licht zu rücken.
Zunächst verlief der Abend wirklich
sehr gut. Peter stellte Miss Gabrielle Jerningham seinen Freunden vor, und je
nach ihrem jeweiligen Charakter starrten sie entweder mit offenem Mund auf
ihren Busen oder erkundigten sich, ob sie ein Modell von Carêmer dankte Madame
im Geiste auf Knien. Alle Männer im Saal schienen nur Augen für Gabby zu haben.
Gabby benahm sich sehr gut, wirkte
aber durch die prächtige Extravaganz dieses Londoner Balls ein wenig
eingeschüchtert. Sie tanzte recht gut, wie Peter fand, und das war ihm sehr
wichtig. Er vertrat die Meinung, dass sich vornehme Menschen fast
ausschließlich beim Tanzen körperlich betätigen sollten, und er setzte meist
nicht einmal bei einem schnellen Bauerntanz aus. Obskurere Formen von
körperlicher Betätigung überließ er seinem Bruder, der nun, nachdem er nicht
mehr reiten konnte, stundenlang halb nackt und keuchend seine Übungen ausführte.
Peters Lieblingstanz war die
Polonaise und zu seinem Entzücken tanzte Gabby sie recht gut. Es war ein
langsamer gesetzter Tanz, der dem Zuschauer recht einfach erscheinen mochte. Es
hing dabei jedoch alles vom richtigen Zeitgefühl und dem Fluss der Bewegungen
ab. Nichts war schlimmer als ruckartige Gesten oder jemand, der zu schnell
voranschritt.
Alles in allem war Peter mit
Weitere Kostenlose Bücher