03 - Feuer der Liebe
begegnete seinem Blick und
schämte sich, dass sie je den Verdacht gehegt hatte, er könnte so sein wie der
verkommene Mr Hislop. »Es würde mir große Freude bereiten, Sie zum Ball der
Festers zu begleiten«, sagte sie. »Ich habe meine Meinung geändert.«
»Das ist das Vorrecht der Frau«,
sagte Lucien mit einem Lächeln in den Augen. Er verbeugte sich erneut. »Ich
fühle mich geehrt.«
»Und Sie brauchen niemanden zu
bitten, uns zu begleiten«, fügte Emily hastig hinzu. »Schließlich bin ich
verwitwet. Witwen benötigen keine Anstandsdame.«
»Ja, natürlich«, murmelte Lucien.
Trat da etwa ein teuflisches Funkeln
in seine Augen? Nervös berührte Emily die kleine Haube auf ihrem Kopf.
Lucien wollte kein anderer Grund
einfallen, noch länger die Zeit der bezaubernden Emily zu verschwenden. Er
wollte sich gerade zum Gehen anschicken, als Sally die Türen aufstieß und ein
wenig schnippisch verkündete: »Mr Hislop ist hier, Missus.« Sie war nicht
gerade in bester Stimmung, denn Hislop hatte sie auf dem Weg von der Haustür
bis zum Arbeitszimmer zwei Mal gezwickt. Sie warf dem Neuankömmling einen
mürrischen Blick zu und stapfte davon.
Bartholomew Bayley Hislop war nicht
gerade schön. Emily erkannte sofort, dass es eine Grausamkeit war, ihn zusammen
mit Lucien Boch im gleichen Raum zu empfangen. Luciens schlanke, in Schwarz
gekleidete Gestalt, sein Benehmen und seine Kleidung verrieten den Status eines
Marquis. Oder eines ehemaligen Marquis, wie sie sich in Erinnerung rief.
Bartholomew Hislop hingegen hatte
bei der Wahl seines Schneiders keine glückliche Hand. An diesem Morgen war Hislop,
so dachte er zumindest, nach der neusten Mode gekleidet: Er trug einen
olivfarbenen Rock mit riesigen Metallknöpfen und darunter kam eine Weste mit
schrillen lilafarbenen und gelben Streifen zum Vorschein. Ansonsten hatte er
buschige Koteletten, die er sehr lang trug — Bartholomew hielt das für den
letzten Schrei —, und dünne, leicht x-förmige Beine. Wenn man sich nun noch ein
fröhlich-lüsternes Glitzern in den Augen vorstellte, hatte man, voilà,
Bartholomew Bayley Hislop, den einzigen Sohn und Erben eines Fleischers, der
eine Menge Geld damit gemacht hatte, aus Rinderknochen Leim zu kochen — genug
Geld jedenfalls, um seinen Sohn nach Cambridge zu schicken und ihm anschließend
ein angenehmes Leben in der Metropole zu ermöglichen.
Emily begrüßte Hislop fröhlicher als
üblich. »Mr Hislop, was für eine Freude, Sie zu sehen!« Sie sah zu, wie er sich
verbeugte, und machte dann selbst einen Knicks. »Darf ich Ihnen Mr Lucien Boch
vorstellen?«
Bartholomew Hislop erkannte Mr Boch
nicht, aber das störte ihn nicht weiter. Wen er jedoch durchaus erkannte, war
Luciens Schneider. »Schön, Sie kennen zu lernen, Sir! Sehr angenehm! Ich habe
beschlossen, dem einreihigen Gehrock abzuschwören. Ich trage ihn seit etwa
dreizehn Wochen nicht mehr. Ich fand, dass ich darin wie ein Pinguin aussehe.
Nicht, dass das auch bei Ihnen der Fall ist, Sir. Ihr Gehrock ist von Guthrie
gefertigt, nicht wahr?«
Lucien machte eine Verbeugung. »Sie
haben meinen Schneider genau lokalisiert, Sir.«
»Nun, nicht lokalisiert«, verbesserte
Hislop pedantisch. »Ich persönlich habe Mr Guthrie noch nie bemüht. Ich
fürchte, ich benötige bei meinem Schneider ein wenig mehr, sagen wir, Sinn für
Abenteuer. Aber wenn ich mich nicht irre, ist Mr Guthrie zurzeit in der
Leadenhall Street, Nummer siebenundzwanzig anzutreffen, nicht wahr?«
»Da haben Sie völlig Recht.«
»Das habe ich in diesen Dingen
meistens, Sir. Nun, ich sehe auf einen Blick, dass Sie ein ausländischer
Gentleman sind, Mr Boch, daher haben Sie wahrscheinlich noch nicht von mir gehört.
Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich unter den modebewussten Männern in den
besseren Kreisen langsam eine gewisse Reputation genieße. Ich bilde mir ein,
einen sicheren Blick zu haben, ein gewisses Flair. Und« — er warf Emily einen
lüsternen Blick zu — »es ist eines meiner größten Vergnügen, meine Beobachtungen
mit Mrs Ewing zu teilen. Es macht mir enorm viel Freude, meinen kleinen Teil
zur Entstehung von La Belle Assemblée beizusteuern.«
Lucien blickte zu Emily hinüber. Sie
erkannte die Empörung in seinen Augen und warf ihm einen grimmigen Blick zu.
»Ich fürchte, ich muss Sie bitten,
uns zu entschuldigen, Sir. Mr Hislop war so nett, mir zu versprechen, mit mir
seine Notizen durchzugehen, die er sich über die Kreationen gemacht hat, die
beim Empfang für
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