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03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure

03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure

Titel: 03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Volkoff
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tatsächlich so unsympathisch war, wie sie behauptete.
    »Hören Sie bitte", flüsterte er zu der jungen Engländerin hinüber, »wollen wir nicht aufhören, uns zu zanken? Ich versichere Ihnen, daß ich ein ganz braver Bursche bin - und was Sie betrifft, Clarisse: Sie sind entzückend. Wollen wir nicht heute abend gemeinsam essen?«
    Diesmal zögerte Clarisse mit der Antwort. Einige Sekunden vergingen, dann tönte es im allbekannten, leiernden Stil von der anderen Seite zurück: »Die Saint-Paul-Kathedrale ist in den Jahren 1675 bis 1710 nach Plänen von Sir Christopher Wren erbaut worden. Sir Christopher stammte aus East Knoyle. Er hat gelebt von...«
    Lennet war ein guter Spieler. Er wußte, wann es richtig war, sich geschlagen zu geben - oder wenigstens so zu tun. Er stand von der Bank auf und bot den Platz Monsieur Kaul an, der die lange Flüsterei schon mit verärgertem Gesicht quittiert hatte.
    Oberhalb der »Whispering Gallery" wurde der Aufstieg immer schwieriger. Nur sechs Personen folgten Miß Barlowe noch höher hinauf. Als man schließlich vor einer Wandleiter stand, konnte jeweils nur einer allein bis zur Dachhaube hochklettern. Wenn er den Blick ins Wolkenmeer genossen hatte, mußte er mit Rücksicht auf die Wartenden wieder absteigen. Die Leiter war so schmal, daß man nach dem »Schichtwechselsystem" verfahren mußte.
    Bevor der junge Geheimagent an der Reihe war, fragte er Clarisse, ob für den Aufenthalt im Inneren der Dachhaube eine bestimmte Zeit festgesetzt sei.
    »Nein", sagte die blonde Engländerin, »wir können in dieser Beziehung unmöglich Vorschriften geben. Es kommt wohl auf das Fingerspitzengefühl des einzelnen an. Natürlich wäre ich nicht überrascht, wenn Sie, Monsieur Martin, zwei Stunden dort oben blieben.« •
    Lennet kletterte gewandt und flink wie eine Katze die Leiter empor. Oben angelangt, fühlte er sich wie in einem offenen Käfig, den man in 115 Metern Höhe aufgehängt hat. Man sah von dem Käfig aus nichts weiter als den Himmel über London, so, als würde man aus einem Brunnenschacht nach oben schauen. Der Blick auf die riesige Stadt zu Füßen der Kathedrale war durch die äußeren Bauteile völlig versperrt.
    »So etwas nenne ich Bauernfängerei!« fluchte der junge Franzose, als er die Leiter wieder hinuntergeklettert war. »Gut zu verstehen, wenn mancher nur zehn Sekunden da oben bleibt.
    Übrigens, Miß Barlowe: Was bedeuten die Kabel, die vom Dach herunterführen?«
    »Sie gehören zur Anlage der Blitzableitung", antwortete Clarisse.
    »Wie können Sie das wissen? Sie sind doch gar nicht oben gewesen.«
    »Ich bin jede Woche einmal hier. Glauben Sie, daß ich dann schlafe?«
    Kurze Zeit später war die Reisegruppe wieder am Bus.
    Monsieur Pouillot, von Lennet »Baby-Chou" getauft, erschien als letzter.
    »Wo sind Sie gewesen?« wollte Clarisse wissen.
    »Ich hab mir ein Eis gekauft", erklärte Baby-Chou und wischte sich mit dem Taschentuch die Lippen ab. »Das Eis war mies.«
    Clarisse gab sich mit der Antwort zufrieden.
    Als alle wieder eingestiegen waren und das schwere Fahrzeug anrollte, nahm die junge Dolmetscherin das Mikrofon und sagte:
    »Meine Damen und Herren, wir werden nun den weltberühmten Londoner Tower besichtigen. Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt, ist der Tower ein Bauwerk des Mittelalters und...«
    Lennet hörte nicht weiter hin. Diese unpersönlichen, gleichförmig abschnurrenden Erklärungen langweilten ihn. Er sah auf seine Uhr und stellte fest, daß man laut Zeitplan schon einige Verspätung hatte. Kein Wunder, daß Clarisse etwas mißmutig dreinschaute.
    Der Franzose überlegte: Es müßte doch leicht möglich sein, Miß Barlowe ein Schnippchen zu schlagen, ihre strenge Oberaufsicht zu durchkreuzen. Aber wie? Vielleicht unter Ausnutzung der Lage, die sich bei der Schließung des Towers ergab?
    Selbst wenn Clarisse bei der Zählung ihrer Schäfchen sein Fehlen bemerken sollte, könnte sie denken, er sei schon vorzeitig weggegangen. Lennet versprach sich nicht allzuviel davon, sich in einem Gebäude einschließen zu lassen, das anscheinend nicht besonders bedroht war. Er konnte aber zumindest auf diese Weise die Art der Bewachung genau kennenlernen. Mit etwas Glück, sagte er sich, werde ich vielleicht einige wichtige Dinge in Erfahrung bringen.
    Die Besichtigung des Towers lief im gleichen Stil ab wie die Besuche der anderen berühmten Gebäude und Museen - nur mit einem Unterschied: Lennet tat diesmal sein möglichstes, um den Rundgang zu

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