03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure
Boden.
Der andere drückte den Abzug seiner Waffe durch aber außer einem feinen Klicken geschah nichts.
Im weißen Licht seines Scheinwerfers erkannte jetzt Lennet die Person, die vor ihm stand: es war Clarisse Barlowe! Sie hielt einen mächtigen Colt in der Hand, den sie vorher nicht entsichert hatte.
»Werfen Sie das Ding da weg!« rief der Franzose, »gesichert nutzt Ihnen die Kanone sowieso nichts. Bißchen dalli, wenn ich bitten darf, oder ich schieß Ihnen eine Kugel ins Handgelenk!«
Clarisse stand wie versteinert und ließ den Colt fallen.
»Woher konnten Sie wissen, daß ich hier bin?« wollte Lennet wissen und steckte seine Waffe ein.
»Ich habe Sie atmen hören. Sie schnaufen wie ein Seehund.«
»Oh - das muß ich mir merken. Sie haben wirklich ein tolles Gehör, meine Dame.«
Der Franzose angelte sich mit dem Fuß den schweren Colt, hielt es aber nicht für wert, ihn aufzuheben.
»Dürfte man erfahren, was Sie hier im Tower zu suchen haben?« fragte Lennet.
»Sie", erwiderte Clarisse kurz und bewegte dabei kaum die Lippen.
»Mich? Wieso denn?«
»Im Autobus hab ich festgestellt, daß Sie verschwunden waren.«
»Na gut - und wie es sich für eine vorzügliche Fremdenführerin und Dolmetscherin gehört, bewaffnen Sie sich mit einem Haufen Nachschlüssel, schnappen sich einen amerikanischen Revolver, Kaliber 45, schleichen nachts in den Tower zurück, um mich zu ,befreien', und als Sie mich entdecken, wollen Sie mich niederschießen. Das soll verstehen, wer will!«
»Und Sie? Was machen Sie denn hier?«
»Meine kleine Clarisse", erwiderte Lennet und blickte Miß Barlowe hoheitsvoll an, »solche Fragen könnten Sie mir stellen, wenn ich Ihr Gefangener wäre.«
»Gefangen oder nicht gefangen - Sie sind ein ganz gemeiner Saboteur, und das wundert mich auch gar nicht. Ich wußte genau, daß es nur Franzosen sein könnten, die aus purer Eifersucht und Haß unsere stolzen Baudenkmäler in die Luft jagen, eins nach dem anderen.«
»Sachte, sachte, Miß Barlowe! Wer hier sabotiert, das sind Sie! Ich beobachte Sie schon zwei Tage, und Sie benehmen sich wirklich nicht wie eine berufsmäßige Fremdenführerin. Erstens ist die Hälfte von dem, was Sie den Touristen erzählen, frei erfunden. Zweitens haben Sie sich einmal über die Attentate so geäußert, als wüßten Sie längst nähere Einzelheiten. Und drittens sind Sie erst ganz kurz bei ,W.T.A.', und ich reime mir folgendes zusammen: Mr. Bulliot, der feine Herr Direktor, schleust hin und wieder Saboteure in sein Personal ein - immer nur für kurze Zeit, um sie nicht bei der Behörde anmelden zu müssen. In der nächsten Woche", fuhr der junge Franzose fort,
»sind Sie höchstwahrscheinlich nicht mehr bei der Firma, und man holt Sie erst wieder, wenn ein neues Attentat fällig ist. Für mich steht jedenfalls schon fest: Die Störenfriede sind ausschließlich Engländer, und wenn Mr. Bulliot seine Hand im Spiel hat, dann als Engländer und nicht etwa als Franzose!«
Clarisse hatte sich höhnisch lächelnd den Vortrag Lennets mit angehört.
»Was bilden Sie sich eigentlich ein , Sie komischer Kauz?« fragte sie keß, »wem wollen Sie diesen Bären aufbinden? Etwa mir? Ich weiß wohl besser als Sie, wer ich bin und was ich tue.«
»Wie Sie wollen", sagte der Franzose mit scharfem Ton, »der Moment dürfte gekommen sein, die Karten aufzudecken.«
Blitzschnell bückte er sich, hob den schweren Colt auf, legte den Sicherheitshebel um und ging etwas näher an Clarisse heran:
»Ich heiße nicht Jean-Paul Martin. Mein Name ist Lennet. Ich bin Agent der französischen Geheimdienste. Hier ist mein Ausweis.«
Als er der Engländerin seinen SNIF-Ausweis unter die Nase hielt, lachte sie laut auf und sagte: »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Mein Name ist, wie Sie wissen, Clarisse Barlowe - und ich bin Angehörige des britischen Fahndungsdienstes. Hier ist meine Marke.«
Die Karten waren aufgedeckt, die Augenblicke der Überraschung schnell verflogen.
Lennet gab Clarisse den mächtigen Colt zurück und sagte:
»Hier haben Sie Ihre Kanone - und mein Vertrauen! Jetzt erklären Sie mir nur noch, was Sie wirklich hier gesucht haben, Fräulein Kollegin.«
»Ich sagte es ja schon: Sie! Ich war davon überzeugt, daß Sie sich hätten einschließen lassen, um eine Bombe zu legen. Sie haben weit mehr Ähnlichkeit mit einem Saboteur als der kleine Baby-Chou.«
»Oh - das schmeckt bitter. Mein dummes Gesicht hat also wenig genutzt. Sagen Sie bitte, Clarisse:
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