03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure
Lennet, mit einbezogen. So wird es mit an Ihnen liegen, ob der besagte Wassertropfen in das schon übervolle Faß gelangt oder nicht. Ist das klar?«
»Sonnenklar.«
»Nun zu den Tatsachen!« fuhr der Engländer fort. »Ungefähr seit einem Jahr - genaue Angaben finden Sie in den Akten, die Sie noch erhalten werden - geschehen merkwürdige Dinge: Wiederholt wurden geschichtlich bedeutende Baudenkmäler in London mutwillig zerstört. Die Anschläge richten sich niemals gegen Personen, immer nur gegen bestimmte Objekte. Einmal sind es historische Wehranlagen, ein andermal Kirchen, dann wieder Standbilder berühmter Männer, die von Bombenattentaten betroffen werden. Die materiellen Schäden sind meistens gering, aber die moralische Einbuße ist unermeßlich groß. Fast könnte man meinen, ein bösartiger Spaßvogel habe es darauf abgesehen, alles zu verulken und in den Schmutz zu ziehen, was den Nationalstolz der Engländer verkörpert.«
»Könnten Sie mir bitte ein paar Beispiele nennen?« unterbrach Lennet seinen Gastgeber.
»Ein paar Beispiele?«
Die rechte Hand des Engländers griff nach der Papierschere.
Der junge Franzose sah, daß sich das Gesicht des Colonels verfärbte, daß es vor Wut und Empörung ganz rot wurde.
»Bitte, ich schildere Ihnen nur zwei der Fälle, die sich erst vor kurzer Zeit ereignet haben: Bei einem Sprengstoffanschlag, der einer Statue von Lord Nelson galt - sie steht in einem öffentlichen Park der Stadt -, wurde der Figur die Nase abgerissen. Und bei einem anderen Attentat, im Schloß der Familie von Sir Alexander Huddlestone-Fuddlestone, explodierte ein Sprengkörper unter jenem Sessel, den Königin Elizabeth I. dereinst benutzt hatte und auf dem jetzt eine Wachs-Nachbildung der Herrscherin saß.«
Colonel Hugh steigerte sich bei seiner Erzählung in eine immer größere Erregung und bebte vor Zorn.
»Sie sehen", fuhr er fort, »daß die Halunken es vorsätzlich darauf abzielen, uns vor aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen. In unserer Zeit, in der die Presse, der Rundfunk und das Fernsehen die unbedeutendsten Vorfälle aufgreifen und hochspielen, ist das Verspotten zur Waffe geworden!« Mit einer kurzen Handbewegung legte der Engländer die mit Elfenbein verzierte Schere auf ihren Platz zurück. Er bemühte sich, seine innere Empörung etwas abklingen zu lassen. Lennet konnte sehr gut beobachten, daß das Gesicht des Colonels wieder seine normale Tönung annahm.
Attentat auf den Sessel der Königin
Weitaus ruhiger und überlegter als zuvor setzte der Offizier des Secret Service seine Erklärungen fort: »Nichts, rein gar nichts hatte zunächst dazu Anlaß gegeben, unsere französischen Freunde zu verdächtigen. Erst recht konnte nicht angenommen werden, daß sich ein Engländer für solche schmutzigen Geschäfte hergeben würde. Die Polizei nahm die Untersuchungen in die Hand, und nach einiger Zeit stellte sich folgendes heraus: Die Explosionen ereigneten sich durchweg im Bereich touristischer Besuchsziele und immer kurz nach Führungen, die von der Firma ,W.T.A.' unternommen wurden.
Die Bezeichnung des Unternehmens ,W.T.A.' bedeutet ,Welcome To All' - ,Allen ein Willkommen'. Es handelt sich um eine Organisation zur Betreuung von Fremden. Sie hat ihren Sitz in London und vermittelt ausländischen Gästen Rundfahrten durch ganz Großbritannien. Tatsache ist nun, daß die meisten Touristen, die sich an ,W.T.A.' wenden, Franzosen sind...«
Colonel Hugh machte eine kurze Pause, holte einmal tief Atem und berichtete dann weiter.
»Der Umstand, daß die Kundschaft von ,W.T.A.' hauptsächlich aus Franzosen besteht, bot noch keinen ausreichenden Grund dafür, den Geheimdienst Ihrer Majestät einzuschalten. Die Nachforschungen blieben weiterhin Sache der Polizei - und führten zu keinem greifbaren Ergebnis. Chef der Organisation ,W.T.A.' ist Mr. Bulliot, ein ehrenwerter Mann, der in London einen ausgezeichneten Ruf genießt. Seine Vergangenheit und seine jetzige Lebensweise lassen keinerlei Verdächtigungen zu. Das Personal, das er beschäftigt - es sind ausschließlich britische Staatsbürger -, steht ebenfalls außerhalb jeden Verdachtes einer Mitwisserschaft. Und geschah es in einzelnen Fällen, daß man Kunden des Unternehmens, die sich irgendwie auffällig benommen hatten, etwas genauer unter die Lupe nahm, so verliefen alle näheren Erkundigungen im Sande.
Schließlich setzte sich die Überzeugung durch, daß die Firma ,W.T.A.' mit den Sprengstoffanschlägen
Weitere Kostenlose Bücher