03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
feiern - Weihnachten war Joshs Lieblingsfest. Ich sah ihn fest an. „Bald wird Weihnachten gefeiert. Willst du dann ganz krank werden?“
„Nein.“ Seine Stimme schwankte.
„Gut, also wirst du ihn trinken. Immer. Ohne zu maulen.“ Er trank den Tee zügig aus und sah mich mit seinen blitzenden Augen an. „Wann ist denn eigentlich Weihnachten?“
Wenn ich das gewusst hätte! Ohne Kalender reihten sich die Tage aneinander wie Perlen auf einer Kette. Spielte es eine Rolle, wann Jesu Geburt tatsächlich stattgefunden hatte? Wenn es Josh sehr schlecht gegangen wäre, ich hätte ihm wohl einfach gesagt, dass morgen Weihnachten ist.. Oder übermorgen. Je nachdem, was angebracht gewesen wäre. An diesem Tag war ich der Meinung, dass er ein wenig warten konnte. Schließlich sollte er nicht den Eindruck bekommen, Weihnachten sei zu seiner Belohnung erfunden worden. Außerdem musste ich erst mal Ezira erklären, dass ich gern in ihrem Mutter Erde geweihten Compound
ein christliches Fest abhalten wollte.
„Komm, wir gehen frühstücken“, sagte ich. Ausgerechnet jene beiden älteren Mädchen, die Josh am ersten Tag aus ihrer Mitte verbannen wollten, erwarteten uns als Einzige im Kreis vor dem Kochhaus.
„Die müssen keinen Tee trinken, weil sie nicht krank werden können? Das ist gemein!“
„Na ja“, sagte ich so lässig wie möglich, „sie könnten den Tee auch trinken.
Aber ich finde, den sollte nur jemand mit uns teilen, den wir wirklich gern haben.“
Jetzt war er obenauf. „Tanisha und Faraa haben wir lieb!“
„Faraa trinkt nur ihre Muttermilch. Da ist alles drin, was sie stark macht.
Aber Tanisha kannst du ja mal fragen“, schlug ich vor. Das tat er übrigens wenig später tatsächlich. Da Tanisha fand, dass es auch ihr nicht schadete, wenn sie ihre Abwehrkräfte stärkte, trank sie ihn. Außerdem entdeckte sie eine unbekannte Neben-Wirkung: Er steigerte den Milchfluss der stillenden Mutter.
Noch am selben Abend, nachdem Tanisha, Ezira und ich eine Arznei aus seltenen Wurzeln und Rinden zubereitet hatten, saßen wir zu dritt ausgelassen vor dem Kräuterhaus. „Wir sollten mal ein richtiges Fest veranstalten“, schlug ich vor.
Ezira blickte mich überrascht an; ich war nicht gerade für solche Ideen berühmt.
„Auf der Farm feiern wir Weihnachten“, erklärte ich. „Da gibt es für die Kinder kleine Geschenke und es wird gutes Essen gekocht. Es ist zwar laut Kalender gewiss schon vorbei, aber Josh würde sich so freuen.“
„Weihnachten.“ Ezira wiederholte das Wort in einem Tonfall kompletter Ratlosigkeit.
Tanishas Englischkenntnisse hatten dank Joshs Hilfe große Fortschritte gemacht; nur schwierige Wörter mussten übersetzt werden. So konnte sie unserem Gespräch folgen und fragte: „Ist das ein bisschen so wie Bairam im Islam?“ Voller Ratlosigkeit registrierte ich, dass ich mitten im Urwald versuchte, einer Muslimin und einer Animistin das schönste Fest der Christenheit schmackhaft zu machen ..
„Tochter, ich weiß, was Weihnachten ist! Meine Eltern waren sehr gläubige Christen.“ Eziras Gesicht drückte nicht gerade Entzücken aus. „Mir hat dieser Glaube nichts Gutes gebracht. Sie liefen immer in die Kirche und beteten zu Gott, dass etwas geschieht. Anstatt ihr Leben selbst in die Hände zu nehmen.“
Ihre Einstellung erinnerte mich ein wenig an jene meines Vaters, der als Jugendlicher die ketzerische Frage gestellt hatte, wieso Christus eigentlich weiß sein sollte. Er flog deshalb von der Missionarsschule, gründete seine eigene Kirche und predigte, dass man arbeiten müsse.
Ich erinnerte Ezira sanft an die Begegnung mit den Hunden: „Josh war doch so tapfer.“
„Ein Fest ist eine nette Idee“, verkündete Ezira überraschend. „Und kleine Geschenke sind auch gut.“ Ihre Miene erhellte sich. „Das Fest der Fröhlichkeit! So nennen wir das. Was haltet ihr davon? Das kann jede feiern und darin sehen, was sie will.“
Schon bei der abendlichen Besprechung am Feuer zeigte sich, wie sehr die Idee die Mädchen begeisterte. Ein Fest ohne - scheinbar - wirklichen Anlass! Und Geschenke! So etwas war noch nie da gewesen. Sie konnten sich kaum mehr beruhigen und sprachen alle durcheinander. Mein Sohn saß mittendrin und freute sich.
Josh sprang übermütig neben mir her, als wir an diesem Abend zu unserer Hütte zurückgingen. „Freust du dich auf Weihnachten, Mama?“, fragte Josh.
„Ja“, sagte ich. Das tat ich wirklich. Nicht nur seinetwegen. Ich habe
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