03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Weihnachten immer gemocht, denn ich kannte es als Fest der Liebe und des Zusammenhalts. Auf der Farm hatten sie dieses Jahr ohne uns gefeiert und ich wurde ein wenig wehmütig. Denn natürlich sehnte ich mich nach Bisi, Ada und Magdalena. Aber ich dachte gleichzeitig besorgt daran, mich wieder meiner Verantwortung zu stellen. Ich spürte deutlich, dass es mir besser ging, weil ich mich darauf beschränkte, Tanisha nur theoretische Heilkunde zu lehren, mit ihr Lesen und Schreiben übte und die einfachen Hilfstätigkeiten im Kräuterhaus verrichtete.
Ezira hatte keinen genauen Termin festgelegt, wann wir unser Fest der Fröhlichkeit feiern wollten. Solche Fragen entschied sie auf ihre Art, mit dem Orakel. Es bestimmte, wann ein Tag dafür geeignet war. Irgendwann würde sie dann beim Frühstück mitteilen, dass es am folgenden oder übernächsten Tag so weit sei. Bis dahin wurde gebastelt und geschnitzt, genäht, geflochten und getöpfert. Und es gab große Geheimnisse, die kichernd und ausgelassen besprochen wurden. Selten hatte ich die Mädchen so fröhlich erlebt.
Mal half Tanisha Josh bei einer Bastelarbeit, mal ich. Doch einmal sah ich ihn mit Ezira zusammen. Ich durfte allerdings nicht näher kommen. Es entstand wohl etwas, was für mich gedacht war. Die Vorfreude auf diese Überraschung war umso größer, da er meine alte Lehrerin dazu ins Vertrauen gezogen hatte.
Auch mit Tanisha war seit dem Angriff eine erstaunliche Veränderung geschehen. Sie hielt sich nicht mehr abseits, sondern gliederte sich in die Gruppe der Schülerinnen ein. Nur ihre schwarzen Tücher hoben sie noch hervor. Wir fieberten der Feier entgegen, als Ezira morgens zu uns in die Hütte kam, um uns eine erstaunliche Mitteilung zu machen.
„Ich werde gleich zu Buchi ins Dorf gehen. Tanisha könnte mich begleiten“, sagte sie.
Mit einer Begeisterung, die mich zu dieser frühen Stunde überraschte, sprang Tanisha auf. „Ja! Das tue ich gerne.“
Selbst Ezira war erst mal sprachlos. Dann meinte sie: „Ich werde gleich bekannt geben, was das Orakel zu unserem Fest sagt.“
Jetzt wurde Josh richtig wach: „Ist es heute?“
Sie blickte den ungestümen Jungen nachsichtig an. „Ja, wenn die Sonne untergegangen ist. Aber vorher musst du noch fleißig sein.“
Erschrocken legte Josh den Zeigefinger auf den Mund: „Psst, Mama darf nichts wissen!“ Als Ezira ging, huschte Josh mit ihr zur Tür hinaus. Ich kleidete mich an, doch Tanisha zögerte. Sie betrachtete ihre schwarzen Tücher nachdenklich, nahm dann eines von meinen. Ich mochte es sehr.
Seine Farben waren nicht besonders grell, eine
Mischung aus dem Braun der Erde und dem Rot des Sonnenuntergangs, das Muster bestand aus ineinander greifenden Kreisen.
„Kannst du mir das leihen?“, fragte sie. „Wenn ich ins Dorf gehe, möchte ich so aussehen wie die anderen.“
Ich wollte sie nicht in Verlegenheit bringen, indem ich meine Freude über ihren Sinneswandel allzu deutlich zeigte. Denn ihre Kleidung war keine Geschmacksfrage, sondern von ihrem Glauben diktiert. So sagte ich nur:
„Es freut mich sehr, wenn dir meine Tücher gefallen. Ich gebe sie dir gerne.“
„Meinst du, ich kann mir im Dorf ein T-Shirt und ein Tuch kaufen?“, erkundigte sie sich.
„Erlaubt das denn dein Glaube an Allah?“, fragte ich.
„Das weiß ich nicht“, antwortete sie ehrlich. „Darüber wurde ja nie gesprochen. Es war normal, dass ich mich so kleidete. Denn ich lebte wie eine Muslimin. Hier aber bin ich Eziras Schülerin.“
Die Mädchen bejubelten Tanishas unglaubliche Verwandlung mit Klatschen und Gesang. Sie stand in ihrer Mitte und blickte scheu von einer zur anderen, bevor auch sie zaghaft in die Hände klatschte und schließlich in den Gesang einstimmte.
Ezira trat neben mich und hakte sich bei mir ein. „Ist das nicht auch wie ein Weihnachtsgeschenk?“, fragte sie. „Eine junge Frau zeigt uns zum ersten Mal, dass sie glücklich ist.“ Ich wusste nicht, wie lange wir tatsächlich schon im Regenwald waren, aber dies war der erste Augenblick, in dem ich meine Freundin Tanisha befreit lachen sah. Ja, das war wirklich ein Geschenk!
„Sie wünscht sich ein T-Shirt und ein Tuch. Kannst du ihr das kaufen?“, bat ich Ezira.
„Ganz gewiss!“, erwiderte sie.
„Und ein Schreibheft“, fügte ich hinzu. Denn meine Kladde, mit der wir täglich übten, war inzwischen ziemlich voll geschrieben.
Nachdem Ezira das Fest der Fröhlichkeit für den Abend angekündigt hatte, gab es für
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