03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
in der Glut ausgetrocknete Holzknüppel brach. Die Sekunde des Angriffs hatte Josh gereicht. Mein hellwacher Sohn erkannte die einmalige Gelegenheit, ließ seinen Ast fallen und sprintete zu Faraa. Er drückte sie sich an die Brust und rannte los. Das Baby schrie wie am Spieß, die Hunde bellten wütend.
„Lauf zu unserer Hütte!“, brüllte ich Josh nach.
Tanisha griff einen von zwei Hockern, die beim Kräuterhaus standen, und schleuderte ihn gegen die Hunde. Sie traf eines der Tiere, das erschrocken davonrannte. Ich warf das letzte Ei und die Meute stürzte sich sofort auf die glibberige Masse. Da packte Tanisha den zweiten Hocker und schmetterte ihn mit aller Kraft auf den Rücken des Rudelführers. Das Tier jaulte furchtbar auf und hastete in Richtung Wald, gefolgt von den anderen. Wir beiden Frauen blickten der in eine Staubwolke ge-hüllten Meute schwer atmend nach. Tanisha fasste meine Hand und zog mich mit sich zu unserer Hütte. So schnell es mir mein Humpeln erlaubte, eilten wir davon.
Die weinende Faraa an sich gepresst, erwartete uns Josh im Eingang unseres Häuschens. Wir stürzten hinein und schlossen sofort die Tür. Ich blickte aus der Fensteröffnung, ob ich einen der Hunde entdecken konnte.
Obwohl ich keinen sah, schloss ich die Läden. Durch die Ritzen fiel nur wenig Licht in den kleinen Raum. Völlig außer Atem, ließen wir uns auf den Schlafmatten nieder. Tanisha beruhigte Faraa, indem sie ihr die Brust gab. Josh und ich kuschelten uns aneinander. Mein Herz raste ebenso wie Joshs. Die schrecklichen Bilder des soeben Erlebten spukten mir durch den Kopf. Immer wieder sah ich mein Kind auf die wütenden Hunde zurennen.
Ich wollte ihn stets vor allem Unangenehmen beschützen. Doch in diesem Augenblick erkannte ich mit Entsetzen, wie kurz der Arm einer Mutter sein kann. Ich war völlig machtlos gewesen. Es hätte nicht viel gefehlt und die Hunde hätten Josh schlimm zugerichtet. Während ihm selbst die Bedrohung, in der er sich befunden hatte, nicht bewusst gewesen war.
„Du warst so mutig, Josh“, sagte Tanisha. Sie streichelte ganz zart seine Hand.
„Der Hund sollte ihr doch nichts tun“, erwiderte mein tapferes Kind.
„Du hast Faraas Leben gerettet.“ Tanisha schluchzte. „Ich war gemein zu dir. Aber du bist so ein lieber Junge. Es tut mir Leid, Josh.“
„Das war nicht so schlimm“, meinte mein Sohn versöhnlich.
Tanisha legte ihre Tochter zwischen sich und Josh. In dem warmen Dämmerlicht, das auf den Lehmboden schien, sah ich, wie Josh nach Faraas kleiner Hand griff.
„Du hast Faraa wirklich gern und sie mag dich“, sagte ihre Mutter aufgewühlt.
Der Alpdruck, der eine Woche auf mir gelastet hatte, löste sich in diesem Augenblick, als ich Tanishas warmherziges Lächeln erkannte. Die Hunde, von denen so viel Feindseligkeit ausgegangen war, hatten uns gezeigt, dass wir einander beistehen mussten. Wir gehörten zusammen wie Freundinnen.
„Hast du noch Magenschmerzen?“, fragte ich sie.
„Nein“, antwortete Tanisha. „Die habe ich wohl vergessen.“
Unsere Anspannung legte sich und wich großer Erschöpfung. Ich ruhte mich auf meiner Matte aus und schloss die Augen. Josh schmiegte sich in meinen Arm und wenig später lauschte ich dem Atem der drei schlafenden Menschen in unserer Hütte. Von draußen war nur das beruhigende Gackern der Hühner zu hören. Sie kehrten aus dem nahen Urwald zurück, wohin sie geflohen waren. Ich wertete es als Zeichen, dass wir die Hunde wirklich in die Flucht geschlagen hatten.
Am späten Nachmittag weckte die aus dem Wald heimgekehrte Ezira uns.
Sie hatte das große Chaos im Compound entdeckt und ließ sich alles erzählen. „Wie furchtbar!“, sagte sie. „Ich bin so froh, dass niemand verletzt wurde.“
Meine Lehrerin berichtete, dass sie und die Mädchen nicht weit vom
Compound die Leiche eines großen schwarzen Hundes gefunden hätten. Das Tier, das von Tanishas Schlag auf die Wirbelsäule schwer verletzt worden war, hatte sich nicht mehr weit geschleppt und war verendet. Ihrer Beschreibung nach konnte es sich nur um den Rudelführer handeln. „Dann glaube ich kaum, dass die Hunde noch mal wiederkommen werden“, meinte Ezira.
Sie sollte mit ihrer Vermutung Recht behalten: Ohne den Leithund wagten die übrigen tatsächlich keinen neuen Angriff.
Beim Abendessen wollten die Mädchen alles genau erzählt bekommen. Josh saß in ihrer Mitte im Rund vor dem Kochhaus und stellte vor allem Tanishas Mut heraus. Ohne sie, so sagte
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