03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
raffte mich auf und schaukelte mit neuem Mut hinter der einstigen Königin her. Und mir kam ein befreiender Gedanke: Mit ihrer Offenheit hatte Patty sich selbst entthront. Ich sah jetzt in ihr nicht mehr die unumschränkte Herrscherin über die Frauen. Sondern eine vom Leben enttäuschte alte Frau ohne Heimat, die nur noch einen Halt fand - die Vergangenheit. In ihren Augen war Josh
der Hoffnungsträger. Für sie waren mein Sohn und ich wie die Ableger einer einst prächtig gedeihenden Pflanze.
Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel. Ta-nisha nahm mir mein schweres Bündel ab und half mir, Pattys Tücher auf Büschen zum Trocknen aufzuhängen. Sie hatte Faraa nicht bei sich und Josh war auch nirgends zu sehen. Patty beobachtete uns. Sie stand nicht weit von uns entfernt und hätte jedes Wort verstanden.
Tanisha und ich hatten uns darauf geeinigt, nur noch Englisch zu sprechen, damit sie diese Sprache, die im Süden unverzichtbar war, schneller lernte.
Ich entschloss mich jedoch, jetzt mit ihr Haussa zu reden. Obwohl ich damit streng genommen gegen die Regeln des Respekts vor der einst so wichtigen Frau verstieß.
„Wo sind die Kinder?“, fragte ich.
„Faraa war müde, wollte aber nicht einschlafen. Da ist Josh bei ihr geblieben, damit sie schneller einschläft.“ Sie lächelte glücklich. „Dein Junge passt gut auf Faraa auf. Ich glaube, er sieht in ihr schon eine Schwester.“
Einen kleinen Stich ins Herz spürte ich schon. Denn irgendwann würden wir die beiden verlassen müssen. Wahrscheinlich schon sehr bald. Mein Zuhause wartete auf mich.
„War es schwer für dich mit der Königin?“, erkundigte sich Tanisha besorgt.
„Sie hat mir Dinge aus der Vergangenheit erzählt, die mir wehtun“, sagte ich.
„Du wirkst aber nicht so niedergeschlagen wie zuvor. Dann verkraftest du es ganz gut?“
„Ich will nach vorne schauen und nicht zurück“, sagte ich. Ohne Vorwarnung schossen mir die Tränen in die Augen. Ich versteckte mich hinter der nassen Wäsche, damit Patty mich nicht sehen konnte.
Tanisha nahm mich in die Arme. „Du willst wieder stark sein.“
„Ich habe doch nur so wenig Zukunft. Und die soll schön sein und nicht dauernd von all dem Hässlichen überschattet werden!“ Ich wischte mir die Tränen weg. „Stell dir vor, sie will Josh alles erzählen über den Harem. Es gibt nur einen Ausweg: Ich muss ihr zuvorkommen. Denn sie wird garantiert schlecht über Joshs Vater sprechen. Dabei weiß er doch gar nichts von Felix!“
„Du meine Güte! Arme Choga, wie kann ich dir nur helfen?“
„Geh zu Ezira und bitte sie, Josh und mir Patty für eine Weile vom Hals zu halten. Wir müssen in Ruhe miteinander sprechen. Wenn sie immer daneben steht, geht das nicht.“
„Klar, das mache ich. Mir fällt schon was ein.“ Sie sank in sich zusammen.
„Ich kann nicht lügen, Choga!“
Ich musste lachen; sie war so liebevoll ehrlich. „Nein, das sollst du auch nicht.“ Ihre Kleidung war inzwischen fast so nass wie meine. „Wir müssen uns erst mal umziehen.“
Gemeinsam tauchten wir wieder hinter den mit nassen Tüchern behängten Büschen auf. Patty wirkte ziemlich aufgebracht. Man ließ die Haremsherrscherin nicht einfach herumstehen. Gerade so, als wollte sie mich in Anwesenheit meiner muslimischen Freundin an meine Wurzeln erinnern, sagte sie: „Du musst uns jetzt einen Altar mit einem Schwarzen Jesus bauen.“
„Ich möchte zuvor rasch meine Kleidung wechseln“, erwiderte ich.
„Gewiss, Tochter. Ich werde in meiner Hütte sein und deinen Sohn erwarten.“
So alt Patty auch war, steckte sie dennoch voller Energie. Entsprechend ließ sie nun keine Zeit mehr vergehen, um ihr neues Ziel zu erreichen: meinen Sohn über seine wahren Aufgaben zu informieren! Doch diesmal musste ich mich ihr entgegenstellen. Zumindest ein ganz kleines bisschen.
„Mama Patty, ich brauche für den Altar Holz und für einen schwarzen Jesus eine ganz besondere Sorte. Damit meinem Sohn die Bedeutung der Figur, die ich schnitzen werde, auch wirklich bewusst wird, sollte er mich begleiten bei der schweren Suche nach dem richtigen Material.“
„Ja, Tochter, ich stimme dir zu. Es ist besser, wenn ich mich ausruhe. Ich werde mit deinem Sohn sprechen, sobald ihr zurückkehrt.“
Ich atmete erleichtert auf; ich hatte nicht vergessen, wie ich eine Haremschefin überzeugen konnte. Ich erklärte Tanisha in Haussa, unserer neuen Geheimsprache, was ich vorhatte, und wir trennten uns.
„Es ist nicht
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