03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
anvertraut. Er passt sehr gut auf sie auf.“ Josh blickte zu mir hoch, und ich sagte zu ihm: „Das ist ganz richtig, was du machst. Geh mit Faraa zu Tanisha. Ich muss mit Mama Patty sprechen.“
„Ja, Mama.“ Er wandte sich ab und trottete zu ihr.
Patty musterte mich mit diesem von mir so gefürchteten gebieterischen Blick. „Wie kannst du es wagen, mich so vor dem Jungen herabzusetzen, Tochter!“
Wahrscheinlich war es dieses Wort, das alles plötzlich veränderte. Mein Zittern blieb zwar noch, aber meine Wut war so schnell gegangen, wie sie gekommen war. Meine Stimme schwankte nur ein wenig, als ich sagte: „Ich bin nicht nur deine Tochter. Ich bin auch Joshs Mutter. Und als seine Mutter weiß ich, was richtig ist und was falsch. Im Harem hast du die Gesetze gemacht. Aber wir sind hier nicht im Harem.“
Pattys Miene gefror. Wahrscheinlich war ihr so etwas im ganzen Leben noch nicht widerfahren. „Ich scheine mich in dir sehr getäuscht zu haben!“
Mama Pattys harte Stimme durchschnitt die feuchtwarme Abendluft. „Du wirst immer die Tochter deines Vaters bleiben. Wo du auch sein magst.“
„Ich weiß“, erwiderte ich. „Aber mein Sohn ist nicht das, was du in ihm siehst.“
Meine Knie wollten nicht zu zittern aufhören; ich musste mich auf einen Hocker setzen. Konfrontationen wie diese hatte ich immer tunlichst vermieden; lieber hatte ich gelitten.
Die Mädchen machten lange Hälse, damit ihnen ja kein Wort entging.
Ezira, die in ihrem Reich auf ein friedvolles Miteinander größten Wert legte, klatschte in die Hände. Das Zeichen für die Schülerinnen zum Aufbruch. „Geht schlafen!“, rief sie. Ihr Wort wurde sofort befolgt und ohne Murren verzogen sich alle in ihre Hütten. Josh zögerte noch.
„Gute Nacht, mein Schatz. Ich komme nachher zu dir“, sagte ich. Auch Ezira zog sich zurück. Es gehörte zu ihren Regeln, dass Dritte sich nicht in Gespräche einmischten, die zwei andere Menschen führten.
„Ich habe dir gesagt, was Gott für deinen Sohn vor-hergesehen hat, Tochter Choga. Was du gerade getan hast, ist eine Sünde, ein Verstoß gegen die Vorhersehung.“ Pattys dunkle Augen funkelten mich voll Empörung an. „Ich erwarte deine Bitte um Vergebung. Denn ich will auf meine alten Tage nicht erleben, wie Papa Davids Tochter vom rechten Weg abgekommen ist.“
Warum musste ich diese Auseinandersetzung führen? Warum konnte nicht alles so weiterlaufen wie bisher? Gut, ich hatte meine Vergangenheit verdrängt. Aber war das so schlimm? Durfte ich nicht einfach friedlich weiterleben? Ich hatte doch wirklich genügend andere Probleme! Aber nein: Die Familie musste mich bis in den tiefsten Regenwald verfolgen ..
Diese Verzweiflung, vielleicht sogar Mitleid mit mir selbst, legte sich über meine Nervosität und ich wurde ruhiger. „Ich möchte nicht, dass du Josh erzählst, dass er der Nachfolger von Papa David und Felix werden sollte“, sagte ich. „Denn Josh ist ein Kind, dem nur wenig Zeit auf dieser Welt bleibt. Er war schon zwei Mal lebensgefährlich krank. Die wenigen Jahre, die er noch vor sich hat, soll er unbeschwert genießen. Ohne das Wissen um unsere Vergangenheit. Denn es geht ihn nichts an, Mama Patty.“
„Wie kannst du so etwas sagen!“ Ihre Stimme wurde schrill. „Kennst du seine Bestimmung besser als Gott? Der Allmächtige allein weiß, wie lange Josh leben wird. Woher willst du nun wissen, wie alt er wird? Du bist nur seine Mutter.“
„Nichts anderes will ich sein, Mama Patty.“ Ich sah sie nun offen an. Ihr Gesicht war so unnachgiebig hart und verschlossen wie eine Wand aus Stein. Ihre scharf geschnittenen, schmalen Lippen waren fest zusammen-gepresst. „Du hast mir gesagt, warum ich gezeugt wurde und warum Felix mich vergewaltigt hat. Ausgerechnet du sprichst jetzt davon, dass nur Gott weiß, wie lange
wir leben? Hast du nicht selbst Schicksal gespielt, indem du Mutter in Vaters Arme getrieben hast? Hast du zu ihm gesagt, als er meine Ehe mit Felix beschloss, wir sollten Choga fragen? Nein, Mama Patty, ihr habt getan, was ihr für richtig hieltet.“
Sie starrte mich entsetzt an. „Wie sprichst du mit mir, Tochter?! Hast du vergessen, wer ich bin? Hast du etwa vergessen, was Papa David immer gesagt hat? Wir leben für unsere Familie. Und so werden wir auch für sie geboren. Das ist unsere Bestimmung.“ Ihre Brust bebte vor Empörung.
„Aber gut, ich werde dir antworten. Wir haben nicht Schicksal gespielt, als du verheiratet wurdest. Es war Mama
Weitere Kostenlose Bücher