03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Idus Vision, durch die Gott zu uns sprach. Und 300 Menschen waren Zeugen, Tochter! Wie kannst du das vergessen haben!“
Idus Vision! Nun musste sie tatsächlich als Begründung für eine Eheschließung herhalten, die doch wohl schon längst festgestanden hatte.
Sie hatte mein Schicksal allenfalls besiegelt.
Mitten im Gottesdienst war Idu, die zu diesem Zeitpunkt nur halb so alt war wie meine Mutter und Vaters 32. Frau, in Verzückung geraten. Sie sprach mit seltsamer Stimme und jemand musste übersetzen. Sie sagte, mein Vater solle die liebste seiner Töchter mit jenem Mann verheiraten, der ihm am nächsten stehe. Ich hatte mich nicht angesprochen gefühlt, denn ich hatte mich nicht als liebste Tochter empfunden - ich traf ihn ja kaum und er ließ mir keinerlei Sonderbehandlung zukommen, die diesen Schluss nahe gelegt hätte. Zwei Abende später eröffnete mir meine Mutter, dass es dennoch so war. Idu begleitete Felix, seine anderen Frauen und mich dann nach Jeba auf die Farm. Obwohl sie Vaters Frau war, betrog sie ihn mit Felix. Sie wurde von ihm schwanger, das Kind starb in ihrem Leib und sie wusste es nicht. Bevor sie einer Blutvergiftung erlag, beichtete sie mir ihre Sünde: Sie hatte nie eine Vision gehabt. Es war nur Schwindel gewesen, um mit Felix nach Jeba gehen zu können, wo sie meine angebliche „Vertraute“
sein durfte. Und seine Geliebte.
All das erzählte ich Mama Patty nun, die von dieser Wendung nie erfahren hatte.
„Du sagst, Idu hat Gott gelästert?“, fragte Mama Patty kaum hörbar; sie war wirklich erschüttert. Eine schlimmere Sünde gab es nicht als jene, der Idu sich schuldig gemacht hatte. Verglichen damit war mein Schicksal wesentlich unbedeutender.
„Ja, Mama Patty, das hat sie. Ihre Lüge hat mein Leben zerstört. Und somit das von Josh, lange bevor er geboren wurde. Wie soll ich ihm das erklären? Das Unfassbare, dass er der Nachfolger von Männern sein soll, die ihn vor seiner Geburt zum Tode verurteilt haben!“ Das Gesicht der alten Frau zeigte keine Empfindungen. Ich fürchtete, dass es in ihrem Herzen ebenso aussah. Dennoch flehte ich um Verständnis: „Sieh uns doch an, Mama Patty. Fühlst du nicht, dass wir nicht Papa Davids Erben sein können?“
Ich musterte sie schwer atmend. Meine lange Rede hatte mich völlig außer Atem gebracht. „Dich bitte ich, das zu respektieren. So wie ich nicht meinen Vater und Felix vor meinem Sohn schlecht machen werde. Er soll beide lieben können. Denn du hast Recht: Es ist beider Blut, das in seinen Adern fließt. Nur das muss er wissen.“
Mama Patty schwieg eine Weile, dann richtete sie sich auf und legte ihren Schleier sorgfältig um den Kopf. „Ich habe mich tatsächlich in dir getäuscht. Sage Ezira, sie möchte mir eine andere Hütte geben, wir können nicht mehr dieselbe teilen.“
„Bleib du in meiner Hütte. Meine Freundin wird mich gewiss in ihrer aufnehmen“, sagte ich.
„Nun lass mich bitte allein. Ich muss beten.“ Patty schloss die Augen. Für mich sah es aus, als ob sie mich nicht mehr sehen wollte.
Ich war nun nicht mehr Papa Davids „besondere Tochter“. Doch das störte mich nicht. Es genügte, dass ich Joshs Mutter war und wir beide unser Leben weiterführen durften. Aber es entsprach nicht den ungeschriebenen Gesetzen des Respekts vor dem Alter und der Gastfreundschaft. Genau genommen hätte mein Verhalten Ezira sogar das Recht gegeben, mich aus ihrem Reich zu verbannen, da ich der ältesten Frau meines Vaters offen widersprochen hatte. Noch dazu vor anderen Menschen. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie ich es verkraften konnte, die Zuneigung und Unterstützung meiner Lehrerin, meines Vorbildes, zu verlieren.
Mein Zittern hatte kaum nachgelassen; ich fror trotz der Wärme und humpelte eilig zu Tanishas Hütte. Ich musste Josh schnellstens beruhigen, bevor ich Ezira meinen Standpunkt erklären konnte. Schon vor dem Häuschen hörte ich Joshs Stimme. Er war sehr aufgeregt. Als ich eintrat, stürzte er sich in meine Arme. „Mama, das ist aber keine liebe Oma wie Bisi und Ada! Die war so böse zu mir. Ich habe doch gar nichts falsch gemacht. Ich darf doch Faraa tragen?“
Ich streichelte ihm übers Haar. „Selbstverständlich! Mama Patty kennt uns nicht. Im Harem galten andere Regeln.“
„Dann hat Papa David dich nicht wirklich lieb gehabt!“ Josh zog die Tränen durch die Nase hoch.
„Eben anders als wir uns, mein Schatz.“
Ich wartete, bis er sich auf seine Schlafmatte gelegt hatte, und
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