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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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ließ mich schwerfällig neben ihm nieder. „Manche Menschen verstehen nicht, dass andere anders

    leben als sie. Sie wollen sie dazu zwingen, es ihnen nachzumachen.“
    „Kannst du Oma Patty nicht sagen, dass sie uns nicht zwingen darf?“
    „Das habe ich getan. Aber sie hat es nicht eingesehen.“ Mir blieb nicht anderes, als Ezira zu fragen, was ich tun sollte.
    Meine Lehrerin musste sich entscheiden: zwischen ihrer Loyalität mit mir auf der einen Seite. Dagegen standen die Bedeutung, die sie dem Recht auf Gastfreundschaft für eine Vertriebene einräumte, sowie die Frage des Respekts. Sie hätte den Konflikt natürlich auch lösen können, indem sie mich aufforderte, Patty um Vergebung zu bitten. Es hätte bedeutet, meine Überzeugung zu leugnen.

Eziras Vorschlag
    In dieser Nacht war das Feuer nicht entzündet worden, und ich musste bis ans Ende des Compounds laufen, um Ezira in ihrer Hütte aufzusuchen. Ihre Tür stand offen. „Darf ich mit dir noch sprechen?“
    „Ich habe auf dich gewartet“, erwiderte sie, und ich trat ein.
    Die Hütte meiner alten Lehrerin war genauso groß wie die übrigen und ebenso karg eingerichtet. Wie alle anderen schlief sie auf einer Matte am Boden und es gab nur einen Hocker. Im Gegensatz zu Patty, für die ich einen Altar hätte bauen sollen, brauchte meine Lehrerin einen solchen Ort der stillen Zwiesprache nicht. Allerdings verbarg sie in einer Ecke einige große und kleine, hübsch verzierte Kalebassen, in denen sie wahrscheinlich geheime Utensilien verwahrte, die sie für besondere Zeremonien benötigte.
    Ich nahm auf der Matte vor ihr Platz. Ezira sog sinnierend an ihrer kurzen Pfeife und sah dem aufsteigenden Rauch nach. „Ich habe vorhin mit Mama Patty ein langes Gespräch geführt“, meinte sie. „Als du mit dem kleinen Josh vor sechs Jahren zu mir gekommen bist, hast du mir viel von deiner Ehe erzählt. Von all dem, was man dir angetan hat. Aber ich hatte nie die Möglichkeit, auch die andere Seite zu hören.“ Sie blickte auf ihre kleine Pfeife und fügte nachdenklich hinzu: „Du hast dich inzwischen gewiss gefragt, warum Patty gekommen ist. Hast du eine Antwort gefunden?“
    Ich erzählte ihr ehrlich von Pattys soeben an meinem Widerstand gescheiterten Plänen. Auch meine groben Verstöße gegen das Gebot des Respekts erwähnte ich ungeschönt; Patty hätte es ihr am nächsten Tag ohnehin mitgeteilt. Ezira hörte aufmerksam zu, ließ sich jedoch nicht anmerken, was sie über meinen ungebührlichen Auftritt dachte.
    Meine Lehrerin war wie nachts fast immer barhäuptig. Sie strich sich mit der Hand über ihren teilweise haarlosen, vernarbten Kopf. „Als Kind sprang ich beim Spielen über ein Feuer und fiel hinein. Viele Monate später blickte ich in eine Wasserlache und erschrak zu Tode über mein Aussehen.
    Mein zuvor hübsches Mädchengesicht war von Narben entstellt. So wie es mir damals erging, erlebst du es jetzt. Mama Patty ist der Spiegel, in dem du deine Vergangenheit erkennst. Er macht dich darauf aufmerksam, wer du einmal warst. Wenn du diesen Anblick erträgst, bist du bereit, dich mit deiner Gegenwart auszusöhnen.“ Sie sah mich aufmerksam an. „Hältst du den Blick in den Spiegel aus?“
    Ich dachte lange nach, was ich jetzt empfand, nachdem ich Patty meine wahren Gefühle offenbart hatte. „Nein“, sagte ich ehrlich, „ich ertrage es nicht. Es tut zu weh. Denn wenn Patty wirklich mein Spiegel ist, dann zeigt sie mir, dass ich vor mir selbst nicht entkommen kann. Die Familie hat mich benutzt. Und die Folgen davon kann ich nie mehr ablegen. Eigentlich kann ich nur vermeiden, in diesen Spiegel zu blicken.“
    Ezira klopfte ihre Pfeife aus. „Egal wo die Narben sind, ob auf meinem Kopf oder in deiner Seele - unsere Wunden sind ein Teil von uns. Ich wollte dir damit nur sagen, dass du deine nicht jeden Tag ansehen musst. Du kannst sie durchaus wie ich gelegentlich verstecken. Aber du sollst nicht vor ihnen davonlaufen. Du hast Aids, weil dir Schlimmes widerfahren ist. Patty hat dir auf ihre
    Weise geholfen, einen klaren Standpunkt zu finden, um mit etwas Unabänderlichem umzugehen. Sie war zwar in anderer Absicht gekommen, doch das war ihre Aufgabe.“ Meine alte Lehrerin lächelte mich verstehend an. „Patty wollte wieder einmal Schicksal spielen. Aber diesmal hast du ihr einen Spiegel vorgehalten.“ Ezira klopfte ihre Pfeife auf dem nackten Boden aus. „Ich sah dich mit der Wäsche auf dem Kopf hinter deiner Königin herlaufen. Das war wie

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