03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
muss. Sie wird bei Buchi lernen und irgendwann kann sie deine Nachfolgerin werden. Dann könnt ihr gemeinsam nach Jeba fahren. Sie wird dir zurückgeben, was du ihr jetzt gibst.“
„Wer versorgt bis dahin meine Gefährtinnen?“
„Ich bin sicher, dass Amara einen Weg findet. Der Rest, meine Tochter, liegt in Gottes Hand. Er ist es, der unser aller Schicksal bestimmt. Du musst nur den Zeichen folgen, die er dir gibt.“ Sie erhob sich und half auch mir aufzustehen, was mir nach langem Sitzen auf dem Boden immer schwer fiel. „Für heute haben wir genug gesprochen. Bewege meine Worte in deinem Herzen und frage deinen Verstand. Anschließend gib sie wieder an dein Herz zurück. Komme nicht vor Ablauf von sieben Tagen, um mir deine Antwort mitzuteilen.“ Sie nahm mich in die Arme und küsste mich auf die Stirn. „Schlaf dich aus, Tochter. Die Leiden deiner Seele haben deinen Körper wieder angegriffen.“
Obwohl ich mein Leben völlig auf den Kopf gestellt hätte, wenn ich Eziras Angebot angenommen hätte, schlief ich in dieser Nacht wieder wie ein Stein. Die Nähe meines Sohnes, seine gleichmäßigen Atemzüge zu hören, tat einfach gut. Tanishas entspanntes Lächeln ließ mich wohlgemut den Tag angehen. Ich fühlte mich sicher.
Um Josh und Tanisha mit der Möglichkeit eines auf unbestimmte Zeit verlängerten Aufenthalts keine falschen Hoffnungen zu machen, wog ich in der folgenden Woche alles gründlich gegeneinander ab. Bisi und Ada hätten mir die Entscheidung, zu bleiben, gewiss nicht verübelt. Ihre Liebe zu mir war so groß, dass ihnen mein Wohlergehen wichtiger war.
Wesentlich größere Sorge machte mir meine Schwester Magdalena, die sich Joshs und meinetwegen hatte beurlauben lassen. Amara konnte unmöglich für immer bleiben. Was sollte dann aus meinen Schwestern und ihren Kindern werden? Diese Fragen konnte ich nicht allein beantworten; ich musste dazu einen Brief nach Hause schreiben. Doch das betraf die Organisation meines Lebens. Und nicht mein Herz, das mit großer Leidenschaft an meiner Farm hing. Sie war mehr als eine Aufgabe; sie war so etwas wie mein Lebenswerk.
Mama Patty hielt sich unterdessen noch immer bei Ezira auf und wohnte in meiner Hütte. Sie verbrachte
gelegentlich einige Stunden des Tages mit meiner Lehrerin; über ihre Unterhaltungen erfuhr ich nichts. Meine und Joshs Gesellschaft mied die einstige Königin jedoch. Wenn ich mit meinem Sohn und Tanisha im Schatten der Bäume Schreiben, Lesen und Rechnen übte, tat sie, als sehe sie uns nicht. Mit den anderen suchte sie ebenfalls keinen Kontakt.
Nachdem die von Ezira gesetzte Frist verstrichen und ich zu keiner Entscheidung gekommen war, beschloss ich, mich mit Tanisha zu beraten.
Sie kannte die Situation auf der Farm und mein Leben im Compound
gleichermaßen.
Über Feuer springen
Als Ezira wieder einmal theoretischen Pflanzenkundeunterricht mit den Schülerinnen machte, ließen wir Faraa bei Josh und den anderen. Dann brachen Tanisha und ich auf. Während einer ausgedehnten Wanderung durch den Regenwald legte ich ihr meine Bedenken und Hoffnung dar. Je mehr ich redete, desto klarer wurde mir alles. Die duftende grüne Pracht umschloss uns wie ein Mantel.
„Der Streit mit Patty hat mir gezeigt, dass ich Auseinandersetzungen nicht mehr gewachsen bin“, sagte ich. „Bevor wir abgereist sind, habe ich meine Schwestern belauscht. Einige vertrauen meiner Gesundheit nicht mehr. Ich hatte gehofft, dass ich wieder ausreichend zu Kräften kommen kann. Doch das ist natürlich unmöglich. Ich habe mir etwas vorgemacht.“
„Du hängst doch so an deinem Zuhause“, meinte meine Freundin, als ahnte sie meine Gedanken.
Ich schüttelte den Kopf. „Es wird nie wieder sein wie früher, Tanisha.
Selbst wenn es mir jetzt besser geht, werde ich dennoch immer Aids haben.
Ich werde als eine Heilerin zurückkehren, die niemandem helfen kann. Das wird die anderen nur traurig machen. Darum ist es wahrscheinlich besser, ich bleibe bei dir und gebe mein Wissen an dich weiter.“
Tanisha antwortete: „Der Gedanke, deine Nachfolgerin zu werden, macht mich traurig, Choga. Ich möchte viel lieber, dass es dir gut geht.“ Wir schlossen uns in die
Arme. „Meinst du, dass Gott dir hier mehr Zeit schenkt?“ Ich nickte stumm. „Dann bleib“, sagte meine Freundin und drückte mich fest an sich.
Wir vergaßen die schweren Gedanken und genossen die Kraft der Natur.
Gut gelaunt kehrten wir Stunden später in den Compound zurück. Ich war nun
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