03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
bereit, Ezira meine Entscheidung mitzuteilen. Sie begrüßte mich allerdings mit einer anderen, die sie mir in ihrer Hütte überbrachte: „Buchi war hier und hat Medizin geholt. Sie ist allerdings schon wieder fort. Und sie hat Patty mitgenommen“, sagte Ezira.
Das war eine überraschend angenehme Nachricht! Die alte Königin hatte sich in der Tat nicht mehr bei uns wohl gefühlt. Was sollte sie auch noch länger an diesem Ort? „Wohin ist Patty gegangen?“, erkundigte ich mich.
„Sie hat noch einen Sohn. Sie wollte wohl zunächst nicht zu ihm, weil sie sich mit dessen Frau nicht versteht. Das scheint sie nun in Kauf zu nehmen.“ Ezira hob die Schultern in gespielter Gleichgültigkeit. Ich war überzeugt, dass Eziras Gespräche mit Patty einen erheblichen Anteil an deren Entscheidung hatten. Meine Lehrerin gewährte mir in dieses Geheimnis keinen Einblick. Das musste ich akzeptieren; eine junge Frau hatte ihre Neugier dem Respekt vor Älteren unterzuordnen.
Dann gab sie mir zwei Briefe, die Buchi für mich aus dem Dorf mitgebracht hatte. Magdalena hatte mir am zweiten Todestag unserer Mutter geschrieben. Das bedeutete, dass Josh und ich mittlerweile über fünf Monate fort waren: Die Zeit war wie im Flug "ergangen! Gespannt riss ich den Umschlag auf. Was ich las, machte mich froh und bestärkte mich in meiner Entscheidung: Es lief auch ohne mich bestens. Es gab sogar wieder ein neues Heilhaus und Amara versorgte meine Gefährtinnen bestens.
Dann nahm ich den zweiten Brief zur Hand; er war von Amara und nur wenige Tage später abgeschickt worden. Durch ihn bekam ich einen völlig anderen Eindruck von den Vorgängen auf der Farm.
Gerade so, als ob meine mütterliche Freundin nicht im selben Haus wie Magdalena lebte!
„Liebe Choga, leider habe ich eine schlechte Nachricht für dich. Obwohl ich Lape gut versorgt habe, ist bei deiner Schwester nun auch Aids ausgebrochen. Ihr Zustand hat sich in kurzer Zeit sehr verschlechtert“, schrieb meine Vertraute. „Ich wollte sie natürlich selbst hier auf der Farm pflegen. Inzwischen ist Lape allerdings im Krankenhaus in Jos. Du fragst dich sicher, wie es dazu kommen konnte. Die Wahrheit ist leider nicht sehr schön. Magdalena hat Lape ohne mein Wissen fortgebracht. Ich fahre mit Ada oder Bisi einmal in der Woche zu ihr, um sie zu besuchen. Aber ich sehe, dass es Lape immer schlechter geht, obwohl die Ärzte sie mit der Medizin des Westens behandeln. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass es dir und Josh bei Ezira gut geht. Doch ich möchte nicht, dass du mir bei der Rückkehr auf die Farm Vorwürfe machst, wenn du Lape nicht mehr antriffst.“
Wortlos reichte ich Ezira beide Briefe.
Ich war so wütend. Wie konnte Magdalena sich gegenüber Amara so verhalten? Ich dachte an mein eigenes Ringen um das richtige Vorgehen in Pattys Fall. Hatte meine deutsche Schwester denn überhaupt keine Skrupel, Amara derart zu bevormunden? Warum ließen Bisi und Ada sie gewähren?
Plötzlich wurden meine Gespräche mit Magdalena wieder lebendig: Von Anfang an hatte sie meine Naturheilmethoden überaus skeptisch beurteilt.
Die schlimmste Erkenntnis betraf Lape: Sie rang offensichtlich mit dem Tod. Obwohl sie bei meiner Abfahrt einen ebenso stabilen Eindruck gemacht hatte wie
alle anderen. Doch was konnte ich im Urwald ausrichten? Nicht einmal von ihr verabschieden konnte ich mich! Geschweige denn dafür sorgen, dass sie ihre letzten Tage in Würde auf der Farm verbrachte.
„Ich wollte dir eigentlich mitteilen, dass ich bleibe“, sagte ich zu Ezira und war den Tränen nah. Mein Ent-schluss, mit dem ich tagelang gerungen hatte, war von Amaras Brief hinfortgefegt worden. Er zeigte mir mit unbarmherziger Brutalität, dass ich nicht loslassen konnte. Und das tat so weh. Das Schicksal wollte es einfach anders! „Ich muss zurück. Meine Vergangenheit ist und bleibt meine Gegenwart, Ezira. Ich muss wieder nach Jeba. Ich begreife nicht, warum sich Magdalena so verhält, denn es ist nicht richtig, was sie getan hat.“
Meine alte Lehrerin schloss mich in die Arme und sah mich so traurig an, dass ich es kaum aushielt. „Du bist verwirrt, Choga. Das ist sehr verständlich. Aber handle nicht in der Hitze des Augenblicks. Solange man jung ist, springt man so wie ich damals über ein Feuer. Wenn man älter wird oder wie in deinem Fall die Kräfte schwinden, sollte man das nicht mehr tun. Denn es ist gefährlich. Spring nicht über ein Feuer“, flehte sie mit schwankender Stimme.
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