03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
wusste, worum es gehen würde. Meine Schwestern, Magdalena, Ada, selbst Bisi und auc die Kinder hatten den ganzen Tag damit verbracht, unsere neuen Gebäude zu verputzen. Sie waren sehr weit gekommen. Nun saßen sie müde, aber mit ihrer Arbeit zufrieden vor mir. Ein dicker Kloß blockierte meinen Hals, denn seit meiner Heimkehr hatte ich diesen Moment gefürchtet, in dem ich mich von ihnen verabschi den musste. Aber ich war immer davon ausgegangen, dass ich diejenige sein würde, die sie verlässt. Die Gemeinschaft, die wir aufgebaut hatten und an die Abidem, Jumoke und Yetunde fest glaubten, würde nac diesem Treffen nicht mehr bestehen.
Genau genommen starb endgültig jene Idee, die mein Vater einst aufgebracht hatte: Frauen um sich zu sammeln, die seine Fa milie wurden.
„Amara muss nach Lagos zurück“, begann ich. Weiter kam ich nicht; meine Stimme versagte. Ich fühlte mich wie ein Wanderer, der sich in der Fremde verirrt hat und nicht mehr weiterweiß. Denn wenn sie mich fragten, was aus mir werde, so konnte ich keine Antwort geben. Was sollte ich, falls ich tatsächlich blind wurde, noch im Regenwald? Doch konnte ich andererseits auf der Farm bleiben und meinen Mamas zumuten, mich zu pflegen Und Josh an einem Ort leben lassen, an dem er keine Kinder zum Spielen hatte? Welch ein trostloses Leben für einen Siebenjährigen!
Meine abgebrochene Ansprache verursachte Unruhe; alle riefen durcheinander. „Lasst Choga reden!“, rief Adas starke Stimme. Doch ich schüttelte nur den Kopf und kämpfte mit den Tränen der Verzweiflung. Ich wusste nichts mehr zu sagen. Mein Kopf war wie leer gefegt.
„Sprich du, Amara“, sagte ich heiser. Bisi, die in allen Versammlungen zu meiner Rechten an der Stirnseite saß, griff nach meiner Hand und drückte sie tröstend. Voller Entschlossenheit legte Amara ihren Plan dar, beantwortete alle Fragen und nahm meinen Schwestern die Sorgen.
„Wir haben dich sehr lieb gewonnen, Amara, und vertrauen dir ebenso wie Choga“, sagte Abidem gerührt. „Wir danken dir. Ich war schon mal in deinem Compound. Dort ist es auch sehr schön.“
„Wann müssen wir denn fahren?“, erkundigte sich Jumoke.
„Sobald ihr euch von der Farm verabschiedet habt und bereit seid“, erwiderte Amara. „Wir haben es nicht eilig.“ Diese Antwort tat ihnen offensichtlich gut, denn damit kam das Ende unserer kleinen Familie nicht einer Flucht gleich. Die Kinder konnten in Ruhe auf alles eingestimmt werden. Und die Frauen sich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass eine schöne Zeit zu Ende ging.
„Ich war gern hier“, sagte Abidem. „Bist du denn wirklich sicher, Choga, dass alles aus ist?“ Jetzt, nachdem die Neuigkeit ihr Herz erfasst hatte, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos.
„Eigentlich will ich auch lieber hier bleiben!“, schluchzte Jumoke.
„Wir werden die Kinder auseinander reißen“, klagte Yetunde, die Mutter von Ijaba. Die Sechsjährige hatte sich enger an Josh angeschlossen, seitdem Zuna und Baina fort waren.
Mit einem kräftigen Räuspern meldete sich Amara zu Wort und weckte in ihnen die Hoffnung, irgendwann wieder auf der Farm wohnen zu können.
Meine liebevolle Mentorin blickte mich an. „Vielleicht wirst du dann mit Tanisha hier leben.“
„Ja“, sagte ich und rang meine aufsteigenden Tränen nieder. Denn ich wusste, dass ich so viel Zeit nicht mehr haben würde. Doch das wollte ich nicht aussprechen. Meine Schwestern sollten sich auf unser Wiedersehen freuen können; Trauer ist kein guter Reisegefährte.
„Komm doch mit zu Amara!“, rief Abidem spontan. „Dann sind wir weiterhin zusammen.“
„Ich bleibe hier bei den Mamas und warte auf euch“, antwortete ich.
Magdalena und Amara, die nach wie vor als Einzige von meinen Plänen, zu Ezira zu fahren, wussten, schauten mich verwundert an. Doch sie fragten nichts. Erst als meine Schwestern sich aufgeregt mit Amara über ihre Zukunft unterhielten, gab Magdalena mir ein Zeichen. Wir gingen in mein Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett, doch Magdalena lief unruhig herum. Offenbar suchte sie etwas.
„Hier ist es so dunkel. Wo sind denn deine Kerzen?“
Ich streckte den Arm aus und griff neben mein Bett, wo sie am Boden lagen. Es war eine Bewegung, für die ich mich nicht einmal umsehen musste. Ich reichte meiner Schwester eine Kerze und sie fragte nach Streichhölzern. Die Packung, die ich fand, war leer. „Dann habe ich wohl keine mehr“, sagte ich.
Magdalena setzte sich
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