03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
jemand anderen finden.“
„Als ich dich heute Morgen telefonieren hörte, habe ich mich schon irgendwie auf schlechte Nachrichten eingestellt“, sagte ich.
„Aber dass es so schlimm kommt ..“
„Ich sitze hier wie eine dicke Kröte, die nicht fortwill, Choga. Denn dein Zuhause ist mir so sehr ans Herz gewachsen. Außerdem habe ich dir versprochen, deine Gemeinschaft zu retten. Mir fällt nur eine Lösung ein: Da Abidem, Jumoke, Yetunde, Dayo und Ijaba weiterhin ihre Medizin bekommen müssen, wäre es am besten, ich nehme sie nach Lagos mit. Dort wären sie ebenso versorgt wie hier.“
„Hast du denn in deinem Compound genug Platz?“, fragte ich im ersten Reflex.
„Einige Schülerinnen haben ausgelernt. Mach dir darum also keine Sorgen“, erwiderte meine auf alles vorbereitete mütterliche Freundin. Ich spürte große Dankbarkeit. Sie, die Erfinderin des Blutbaum-Prinzips, lebte es mir vor.
„Du bist eine wirkliche Freundin, solch eine schwere Verantwortung auf dich zu nehmen. Aber sie werden krank werden, irgendwann.“
„Das ist der Lauf der Dinge, Choga. Doch zu Hause habe ich viele helfende Hände, die mich unterstützen.“
Ich setzte mich neben sie und schloss die Augen, die mir den Kräutergarten ohnehin nicht mehr in seiner 1 rächt zeigen wollten. So schnell und einfach würde nun alles gehen. Gewiss, wir würden meine Schwestern am Abend nach ihrer Meinung fragen. Doch was hatten sie schon für eine Wahl? Es war seltsam, dass ausgerechnet
die Möglichkeit, alles hinter mir zu lassen, mich nun bedrückte. Ich dachte an meine Gefährtinnen, die in diesem Augenblick auf kahle Mauern Putz auftrugen. Für sie und vor allem meine optimistische Schwester Magdalena würde Amaras Nachricht einen Schock bedeuten.
„Choga, ich habe mir etwas überlegt. Du musst mir sagen, was du davon hältst.“
Als ich die Augen wieder öffnete, war meine Freundin in einen noch dichteren grauen Schleier getaucht. Ich; konnte sie kaum erkennen. „Was hast du vor?“, fragte ich.
„Eigentlich bin ich das Leben in der Großstadt leid Und jünger werde ich auch nicht gerade. Sobald ich je manden gefunden habe, der meinen
Compound au Dauer übernimmt, würde ich gerne auf der Farm bleiben.
Dann könnten deine Schwestern und die beiden Mädchen wieder zurückkehren. Es wäre also nur ein Abschied auf Zeit.“
Ich atmete erleichtert auf. „Ja“, sagte ich, „damit werden sich alle anfreunden. In der Zwischenzeit können Ada, Bisi und Funke hier bleiben.
Vielleicht sogar Magdalena.“ Doch mein nächster Gedanke ließ Amaras schönen Traum wie eine Seifenblase platzen. „Wovon sollen sie leben? Zu dritt oder viert können sie die Felder nicht bestellen.“ ",
„Du vergisst diesen cleveren Arzt aus Jos“, meinte Amara. „Der wird sich gewiss wieder melden.“
„Wie kann dein Blutbaum-Gedanke eigentlich funktionieren?“ Das hatte ich nämlich immer noch nicht be- griffen. Amaras bisherige Andeutungen waren mir zu ungenau.
„Ich wollte nicht, dass sie gewissermaßen alle Blätter des Blutbaums nehmen, uns Geld geben und wir hörern nie wieder von ihnen. Stattdessen sollte eine enge Verbindung zwischen diesen Ärzten und uns entstehen.“!
Amara stöhnte auf. „Wenn deine Schwestern fort sind, geht das ohnehin nicht mehr. Ich wollte, dass Rashids und Nwosus reiche Geldgeber unsere Farmprodukte kaufen. So wäre unsere Existenz weiterhin gesichert gewesen. Doch das können wir jetzt vergessen.“ Meine besorgte Freundin stützte den Kopf nachdenklich in die Hände.
„Aber es kann auch andersherum laufen“, überlegte ich laut. „Die Herren könnten die Mamas mit Lebensmitteln versorgen.“
Meine Mentorin fand meinen Vorschlag zwar nicht ganz überzeugend.
Aber wir entschlossen uns dennoch, den anderen mitzuteilen, welche Veränderungen bevorstünden. Untergehakt gingen wir zurück zum Hof, als Amara sagte: „Choga, du musst wirklich bald reisen. Sonst ist es zu spät.
Deine Krankheit schreitet viel zu schnell voran.“
Ihre Mahnung rief mir Eziras Brief in Erinnerung. Doch ich erwähnte ihn nicht; Orakel sind etwas sehr Persönliches. Es heißt, dass man sie nicht einmal den engsten Freunden offenbaren darf. Denn durch Orakel tut sich der Wille Gottes kund. Und ich kannte nicht die Absichten, die er mit mir hatte.
Ich musste sie herausfinden.
Die Dunkelheit
Ich bat Bisi noch für denselben Abend, alle Erwachsenen zur Besprechung auf die Veranda zu rufen. Niemand außer Amara und mir
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