03 - Hinter dunklen Spiegeln
aus."
Kirk schnalzte mit der Zunge. „Vor all diesen Zuschauern?"
„Ich liebe Publikum."
„Und du hast dich darüber aufgeregt, dass ich dich in deinem Whirlpool beobachtet habe."
„Du ..."
„Sie sind fertig, Carrie."
Sie nickte ihrem Assistenten zu. „Such dir einen guten Platz, Do- ran", schlug sie vor. „Du könntest etwas lernen."
Kirk folgte Carries Rat und beobachtete, wie sie die Szene einige Male probeweise durchgingen, die auf ihn eher einen lauwarmen, klischeehaften Eindruck machte: eine naive Frau, ein
durchtriebener
Mann, in einer frühlingshaften Kulisse. Alles Plastik, dachte er, sogar die Blätter der Bäume. Ein Assistent des Maskenbildners erneuerte dann Carries Make-up, das sie jugendlich unerfahren erscheinen ließ. Dann nahm sie wieder ihren Skizzenblock und Bleistift.
„Positionen. Ruhe." Das Stimmengewirr verstummte, es herrschte Stille. „Film ab." Die erste Klappe ging herunter.
Es begann wie vorher bei dem Probedurchlauf.
Carrie saß mit ihrem Skizzenblock auf einem Felsen.
Sean trat heran und beobachtete sie einen Augenblick lang. Als Carrie aufsah und ihn erkannte, bekam Kirk plötzlich einen trockenen Mund. Alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte, lag in diesem Blick: Liebe, Vertrauen, Sehnsucht. Ein solcher Blick von einer Frau, und ein Mann konnte die schwerste Schlacht gewinnen und den höchsten Berg erklimmen.
Kirk hatte nie geliebt werden wollen. Liebe bindet, macht einem anderen Menschen gegenüber
verantwortlich. Liebe verlangt Nehmen und Geben.
Es war bisher sein fester Grundsatz gewesen, das nicht zu wollen, bis er diesen Blick von Carrie sah.
Nur ein Film, erinnerte er sich dann. Carries Blick war ebenso Illusion wie der Wald, in der sich die Begegnung abspielte. Und außerdem hatte ihr Blick nicht ihm gegolten. Es war nur ein Film, sie war Schauspielerin, und alles war nur Teil des Drehbuchs.
Als Sean Carter Carrie das erste Mal berührte, spannten sich Kirks Wangenmuskeln an. Doch zum Glück unterbrach die Regisseurin.
Als weitergedreht wurde, redete sich Kirk zu, dass er sich unter Kontrolle habe. Er war schließlich nur hier, weil sie ihn dafür bezahlte. Persönlich bedeutete sie ihm nichts. Sie war eine Klientin. Es hatte ihn nicht zu interessieren, wie viele Männer sie schon geliebt hatte - vor der Kamera oder unabhängig davon.
Dann beobachtete er, wie ihre Lippen weich und zögernd die von Sean berührten, und ihm kamen Mordgedanken.
Es war doch nur die Szene eines Films mit künstlichen Felsen, künstlichen Bäumen und künstlichen Gefühlen. Und doch wirkte es so wirklich, so ehrlich. Unzählige Menschen schwirrten mit Scheinwerfern und Mikrofonen und Kameras herum.
Doch Carrie zitterte. Verdammt, er sah sie zittern, als Sean ihr Band löste und ihr Haar herunterfiel.
Ihre Stimme bebte, als sie ihm
sagte, sie liebe und begehre ihn. Unwillkürlich ballte Kirk die Hände in seinen Taschen.
Sie schloss die Augen, als Sean ihr Gesicht mit Küssen bedeckte. Sie wirkte so jung, so verletzbar, so ihrer Liebe ausgeliefert. Kirk bemerkte die Kamera nicht mehr. Er sah nur Sean, der ihre Bluse aufknöpfte, und Carries Augen, aufgerissen und blau, die von ihrem Liebhaber wie gebannt zu sein schienen. Zögernd knöpfte sie sein Hemd auf. Eine leichte Röte stieg in ihre Wangen, als sie ihr Gesicht an seine nackte Brust presste. Sie ließen sich aufs Gras sinken ...
„Schnitt."
Mit einem Schlag war Kirk wieder in der Wirklichkeit. Er sah, wie sich Carrie aufsetzte und etwas zu Sean sagte, das ihn zum Lachen brachte.
„Machen wir es noch einmal, Carrie. Ich will, dass du den Kopf hebst, wenn du ihm sein Hemd ausgezogen hast." Mary Rothschild hockte sich neben Carrie nieder, die sich ihre Bluse gerade wieder zuknöpfte. „Und dann will ich einen Kuss, einen ganz langen, bevor ihr ins Gras sinkt."
Irgendwann während der fünften Klappe fand Kirk zu einer objektiven Sichtweise. Er musterte die Gesichter der Umstehenden. Seine Aufgabe war es, herauszufinden, wer Carrie beobachtete, nicht kritisch, nicht anerkennend, sondern jemand, der sich vor Eifersucht verzehren könnte. Oder der fantasierend träumte.
Er kannte sie alle, von allen hatte er Berichte, vom Kameramann angefangen und beim Requisiteur aufgehört. Instinktiv wusste er, dass derjenige, der Carrie die Briefe schrieb, jemand war, den sie kannte, jemand, mit dem sie wahrscheinlich jeden Tag unbeschwert sprach.
Kirk wollte denjenigen finden. Er wollte ihn schnell finden, bevor
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