03 - Hinter dunklen Spiegeln
Grenzen
überschritten hatte, wozu wäre der fähig, um ans Ziel zu kommen?
Die Briefe und Anrufe hatten nach und nach einen drängenderen Tonfall bekommen. Wann würde das dem Unbekannten nicht mehr reichen, und wann würde er zu einem verzweifelteren Schritt fähig sein? Carrie in ihrer Furcht schien kaum vorstellbar zu sein - so glaubte Kirk -, wie weit eine verwirrte Verzweiflung einen solchen Mann treiben konnte.
Heute würden sie hauptsächlich Sexszenen drehen.
Ein zweites Kamerateam war in New York, um Außenaufnahmen zu filmen. Carrie freute sich schon darauf, wenn sie und einige andere vom Produktionsteam für einige Szenen nachfolgen würden, die vor Ort gedreht werden mussten. Vielleicht konnte sie dann ihre Schwester Maddy und - wenn sie Glück hatte - auch deren Musical am Broadway sehen.
Dieser Gedanke heiterte sie wieder auf, welche Stimmung auch nicht durch die einstündige Verzögerung getrübt wurde, die entstand, als die Techniker einige Mängel beheben mussten.
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„Erinnert an New England", bemerkte Kirk, als er sich in der draußen errichteten Kulisse umsah.
„Massachusetts, um genau zu sein", entgegnete Carrie und knabberte an einem klebrigen Kuchenteilchen. „Schon einmal dort gewesen?"
„Ich bin in Vermont geboren."
„Ich in einem Zug." Sie lachte. „Wenigstens fast.
Meine Eltern waren unterwegs zu einem Auftritt, als bei meiner Mutter die Wehen einsetzten. Sie haben gerade lang genug Zwischenstation gemacht, dass ich und meine Schwestern zur Welt kommen konnten."
„Du und deine Schwestern?"
„Stimmt. Ich bin die älteste von Drillingen."
„Es gibt dich in dreifacher Ausführung? Gütiger Himmel."
„Mich gibt es nur einmal, Doran." Sie steckte sich ein Kuchenstück in den Mund und genoss die frische Luft und den Sonnenschein. „Wir sind zwar Drillinge, aber jede von uns ist einmalig. Al- ana zieht Pferde und Kinder in Virginia groß, und Maddy ist gerade die Sensation am Broadway."
„Du machst überhaupt nicht den Eindruck eines familienbewussten Menschen."
In ihrer guten Stimmung ließ sie sich von nichts herausfordern. „Ich habe auch noch einen Bruder.
Was er treibt, kann ich dir allerdings nicht sagen. Ich vermute, professioneller Gigolo oder internationaler Juwelendieb. Du würdest dich wunderbar mit ihm verstehen." Sie beobachtete, wie einige Männer von der Requisite einen Felsblock um einen guten Meter versetzten. „Erstaunlich, nicht wahr?"
Kirk betrachtete die Baumlandschaft. Sie sah echt aus - wenn man die hölzerne Halterung der Bäume übersah. „Gibt es überhaupt etwas Echtes hier?"
„Nicht viel. Lass ihnen ein paar Stunden Zeit, und sie werden dir hier einen afrikanischen Urwald aufbauen." Träge streckte sie sich. „Wir wollten das eigentlich vor Ort drehen, doch es gab ein paar Probleme."
„Es gibt viel Leerlauf in diesem Job."
„Man muss schon die Ruhe weghaben. Manchmal warte ich Stunden in meiner Garderobe für eine fünfminütige Szene. Und dann geht es wieder vierzehn Stunden am Stück rund."
„Warum machst du das?"
„Weil es das ist, was ich immer gewollt habe."
„Du wolltest immer Schauspielerin sein?"
Lächelnd warf sie ihr Haar zurück.
„Schauspielerin bin ich doch schon immer gewesen.
Ich wollte ein großer Star werden."
„Sieht so aus, als hättest du bekommen, was du wolltest."
„Es sieht so aus." Sie schüttelte ein unbestimmt depressives Gefühl ab. „Und was ist mit dir?
Wolltest du immer werden, was du geworden bist?"
„Als Jugendlicher wollte ich so etwas wie Al Capone werden. Doch dann habe ich gelernt, wozu ich gut bin."
„Und wozu bist du gut?" Er drehte ihr den Kopf zu, und sie erkannte amüsierte Herausforderung in seinem Blick. „Vergiss es."
Überraschend streckte er die Hand aus und berührte ihr Haar. „Du wirkst wie ein junges Mädchen."
Es war eine Berührung, nur wenige Wörter und ein tiefer Blick innerhalb einer von Menschen wimmelnden Kulissenwelt. Und doch schlug ihr Herz plötzlich heftig. „So soll es auch sein", brachte sie nach einem Augenblick heraus. „In dieser Szene bin ich zwanzig, unschuldig, wissbegierig, naiv und verliere meine Unschuld."
„Hier?"
„Nicht ganz, dort." Sie zeigte auf eine kleine Lichtung zwischen den Bäumen, die von den Requisiteuren geschaffen worden war. „Der gemeine Brad verführt mich und verspricht mir ewige Liebe. Er entfacht meine Leidenschaft, die bisher ausschließlich meiner Malerei gegolten hat, und nutzt die Situation
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