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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Als ›Gentleman mit grauen
    Schläfen‹ könnte er ganz groß rauskommen, aber er scheint zu
    glauben, dass eine Beschreibung seines Äußeren genügt und
    dass er sonst nicht viel tun muss. Er weigert sich, seine Charaktertiefe zu schulen.«
    »Und das ist ein Problem?«
    »Ich würde ihm gern eine etwas anspruchsvollere Rolle verschaffen«, seufzte der wohlmeinende Dr. Fnorp. »Aber jetzt ist
    er schon zweimal durchs B-Examen gerasselt. Wenn er beim
    drittenmal wieder versagt, kann er froh sein, wenn er irgendwo
    noch eine Sprechrolle mit zwei, drei Zeilen erwischt.«
    »Vielleicht will er ja nichts anderes. Es können schließlich
    nicht alle Figuren A-Klasse sein.«
    »Genau«, sagte Fnorp bitter. »Das ist der Fehler im System!
    Wenn alle Nebenfiguren Charaktertiefe hätten, wäre die gesamte Belletristik viel besser. Ich möchte, dass meine Studenten alle
    Rollen mit echtem Leben erfüllen. Auch die C-Rollen.«
    Ich musste ihm Recht geben. Selbst mit meiner relativ beschränkten Erfahrung schien es mir wünschenswert, überall
    abgerundete Charaktere zu haben. Das Problem war nur, dass
    der GattungsRat seit über dreißig Jahren bei der Bildungspolitik
    sparte und die Mindestanforderungen bei der Charaktertiefe
    ständig gesenkt hatte.
    »Sie haben Angst vor einer Revolte«, sagte Fnorp leise. »Der
    GattungsRat will die Rohlinge dumm halten. Eindimensionale
    Charaktere sind leichter zu lenken, aber die BuchWelt leidet
    darunter.«
    »Und was erwarten Sie von mir?«
    »Na ja«, sagte Fnorp und trank seinen Kaffee aus. »Vielleicht.
    könnten Sie mal mit Randolph reden und herauszukriegen
    versuchen, warum er plötzlich auf stur schaltet.« Ich versprach
    ihm, mein Bestes zu tun, und brachte ihn dann zur Tür.

    Randolph lag schlafend in seinem Bett und umklammerte innig
    sein Kopfkissen. Lola war schon unterwegs, um sich mit Freunden zu treffen. Ihr Foto stand auf seinem Nachttisch, und er
    schnarchte still vor sich hin. Ich schlich zur Tür hinaus und
    klopfte dann heftig dagegen.
    »Wasnlos?« fragte eine schläfrige Stimme.
    »Ich muss den dritten Motor anlassen«, sagte ich. »Kannst du
    mir helfen?«
    Man hörte ein lautes Plumpsen, als er aus dem Bett fiel. Ich
    grinste und trug meinen Kaffee aufs Flugdeck hinauf, wo ich auf
    dem Pilotensitz Platz nahm. Mary hatte mich ja tatsächlich
    gebeten, den letzten verbliebenen Motor gelegentlich laufen zu
    lassen, und mir eine spezielle Checkliste dafür gegeben. Ich sah
    am Flügel hinunter. Die Haube war offen, und der große,
    ölverschmierte Motor war deutlich zu sehen. Es regnete nie hier
    am See, aber letztendlich war das egal, denn die Dinge alterten
    ohnehin nicht.
    Ich warf einen Blick auf die Checkliste. Der Motor musste
    zunächst von Hand bewegt werden, und dazu hatte ich echt
    keine Lust. Deshalb schickte ich den etwas mürrischen Randolph hinaus auf die Tragfläche, als dieser endlich erschien.
    »Wie oft muss ich drehen?« fragte er, nachdem er die Handkurbel mühsam in die dafür vorgesehene Öffnung gesteckt
    hatte.
    »Zweimal sollte genügen«, rief ich zurück. Es dauerte zehn
    Minuten, bis er es endlich geschafft hatte.
    »Und was machen wir jetzt?« fragte er mit rotem, erhitztem
    Gesicht. Seine schlechte Laune war weg. Einen Sternmotor
    anzulassen war etwas, was ihn interessierte.
    »Du kannst es ja vorlesen«, sagte ich und gab ihm die Checkliste.
    »Treibstoffhauptleitung öffnen, bei ausgeschalteter Zündung«, las Randolph vor.
    »Erledigt.«
    »Propellerhebel hoch und Drosselklappe einen Zoll öffnen.«
    Ich zerrte an den entsprechenden Hebeln in der Konsole.
    »Erledigt. Dr. Fnorp war heute früh hier.«
    »Spreizklappen öffnen und Mischungsverhältnis auf Leerlauf. Was wollte der alte Sack denn?«
    Ich zog den Mischungshebel zurück. »Er hat gesagt, du
    könntest sehr viel mehr leisten, wenn du nur wolltest. Wie geht
    es weiter?«
    »Treibstoffpumpe einschalten, bis die Warnlampe erlischt.«
    »Und wo soll die sein?«
    Wir fanden die Treibstoffpumpe über unseren Köpfen im
    hinteren Teil der Kabine, und Randolph knipste sie an.
    »Ich will gar keine Hauptrolle«, sagte er. »Es genügt mir vollkommen, irgendwo als ältere Lehrerfigur zu arbeiten, zum
    Beispiel in Mädchen müssen bloß zugreifen.«
    »Ist das nicht der Roman, in dem Lola auftreten soll?«
    »Ach, wirklich? Das wusste ich gar nicht.«
    »Gut«, sagte ich, als die Kontrolllampe für die Treibstoffzufuhr erlosch. »Was weiter?«
    »Jetzt müssen Sie den

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