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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Todesfällen hatte ich nach wie vor bloß den manipulierten SchleuderHelm als Beweis dafür, dass jemand Miss Havisham hatte
    umbringen wollen. Und nur der entwendete Käfigschlüssel wies
    darauf hin, dass beim Tod von Perkins nicht alles mit rechten
    Dingen zugegangen war. Autorennen waren eine gefährliche
    Sache, und Miss Havisham hatte gewusst, dass sie ihr Leben
    riskierte.
    »Sie war eine der Besten«, sagte Tweed.
    »Von echtem Schrot und Korn«, bestätigte Bradshaw. »Solche werden heutzutage nicht mehr gemacht.«
    »In der nächsten Woche sind Sie vom Dienst befreit, Miss
    Next«, sagte der Protokollführer. »Bleiben Sie ein paar Tage zu
    Hause und erholen Sie sich von dem Schock.«
    Er zog mich beiseite. »Wir möchten Ihnen eine Anstellung
    anbieten, Miss Next. Ein modernes Betriebssystem wie UltraWord™ braucht Leute wie Sie, um es zu beschützen. Ich soll Sie
    fragen, ob Sie nicht dauerhaft bei uns in der Fiktion bleiben
    wollen. Wir haben sehr gute Sozialleistungen, und wenn Sie mal
    pensioniert werden, erhalten Sie drei Viertel Ihrer Bezüge.«
    Ich nickte. Das klang wirklich nicht schlecht. Wozu brauchte
    ich schon die wirkliche Welt? In Swindon wartete jedenfalls
    niemand auf mich. »Das klingt sehr attraktiv, Herr Protokollführer. Darf ich mir's überlegen?«
    Er lächelte. »Nehmen Sie sich nur Zeit.«

    Ich kehrte zu meinem Flugboot zurück, setzte mich auf den
    Bootssteg, bis die Sonne unterging, und dachte an all die Dinge,
    die ich mit Miss Havisham zusammen getan hatte. Als es kühl
    wurde, ging ich nach drinnen und las noch einmal nach, wie sie
    ihren letzten Auftritt in Szene gesetzt hatte. Professionell bis
    zum Letzten, hatte sie ihren eigenen Tod so umsichtig und
    sensibel gestaltet wie nur wenige andere Dinge in ihrem Leben.
    Ich ging in die Küche, suchte mir eine Flasche Wein, setzte
    mich an den Tisch, schenkte mir ein Glas ein und trank. Merkwürdigerweise hatte ich das Gefühl, ich sollte eigentlich keinen
    Alkohol trinken, aber sosehr ich auch darüber nachdachte, mir
    wollte kein Grund dafür einfallen. Ich sah meine Hand an, auf
    der heute Morgen noch ein Name gestanden hatte. Miss Havisham hatte mir befohlen, ihn wegzuwischen, und das hatte ich
    auch getan. Aber jetzt wollte ich doch gern wissen, was dort
    gestanden hatte, und versuchte, die spärlichen Überreste der
    Schrift zu entziffern.
    »London?« murmelte ich. »Warum könnte ich London auf
    meine Hand geschrieben haben?«
    Ich zuckte die Achseln. Der milde Rotwein war ein willkommener Freund, und ich schenkte mir schon bald ein neues
    Glas ein. Das UltraWord™-Exemplar des Kleinen Prinzen, das
    Miss Havisham mir gegeben hatte, lag auf dem Tisch, und ich
    schlug es auf. Das Papier fühlte sich an wie eine dünne Plastikfolie, die Buchstaben standen hart und schwarz auf den milch-weißen Seiten. Der Text schien im matten Licht der Lampe zu
    leuchten. Neugierig geworden trug ich das Buch in die Speisekammer, wo es ganz dunkel war. Trotzdem konnte ich den Text
    lesen, als wäre es in der Kammer taghell. Ich kehrte zurück an
    den Tisch und schlug das Menü auf, um die LeseEmpfindlichkeit einzustellen. Noch während ich las, veränderten sich die
    Worte von rot zu blau – und beim Wiederlesen zurück. Die
    PageGlow™-Funktion ließ sich aktivieren und de-aktivieren,
    und das Herumspielen mit den Hintergrundsgeräuschen und
    der Musik auf den Tonspuren machte mir richtig Spaß.
    Ich fing an, den Kleinen Prinzen zu lesen, und als die ersten
    Worte in mein Gehirn drangen, eröffnete sich eine völlig neue
    Gefühlswelt sinnlicher Eindrücke. Ich hörte den Wüstenwind
    singen, ich spürte die Hitze, ich roch den glühenden Sand und
    schmeckte ihn zwischen den Zähnen. Die Stimme des Erzählers
    klang anders als die des Prinzen, und ich hatte durchaus das
    Gefühl, als hätte ich gerade eine echte Notlandung hinter mir.
    Das Buch war wirklich ein Meisterwerk moderner Technologie.
    Libris hatte nicht zu viel versprochen. Ich lehnte mich auf
    meinem Stuhl zurück und schloss für eine Sekunde die Augen.
    Plötzlich klopfte es an die Tür. »Hallo!« sagte Arnold. »Kann
    ich hereinkommen?«
    »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Mögen Sie was zu trinken?«
    »Vielen Dank.«
    Er setzte sich und lächelte mich an. Es war mir bisher nicht
    aufgefallen, aber er war wirklich ein gutaussehender Mann.
    »Wo sind denn die anderen alle?« fragte er.
    »Unterwegs«, sagte ich und wedelte unbestimmt mit der
    Hand. Ich fühlte mich

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