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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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ja?«
    Meine Lider sanken, ihre Stimme wurde leiser und leiser, als
    mich der Schlaf überwältigte und in die Tiefen des Unbewussten hinabtrug.

    27.
    Der Leuchtturm am Rande meines Bewusstseins
    Als ich sie kennen lernte, bestand die Familie Hades aus
    sechs Geschwistern: Acheron, Styx, Phlegeton, Cocytus, Lethe und Aornis. Der Vater war schon vor vielen Jahren gestorben, so dass die Mutter die teuflische Brut alleine großziehen musste. Von Vlad Tepes dem »Pfähler« wurde die
    Familie als »unsagbar scheußlich« bezeichnet. Ihre Stärke
    bezog sie aus der Skrupellosigkeit, mit der sie jede Form von
    Verbrechen und Perversion übte. Manchmal steckte echte
    Leidenschaft dahinter, manchmal nur Nonchalance, aber
    Bedenken hatten sie niemals. Lethe, das »weiße Schaf« der
    Familie, war fast nie grausam – aber die anderen glichen das
    mühelos aus. Im Lauf der Zeit sollte ich drei von ihnen besiegen.
THURSDAY NEXT
    – Die höllische Familie

    Eine Welle schlug hinter mir auf die Felsen und besprühte mich
    mit kalter Gischt. Ich zitterte und fror. Es war eine stockdunkle,
    stürmische Nacht. Ich stand auf einem Felsvorsprung, und vor
    mir erhob sich ein Leuchtturm. Der Wind pfiff und wimmerte
    um das hoch aufragende Gebäude, und in diesem Augenblick
    schlug der Blitz ein. Er zischte funkensprühend den Blitzableiter
    hinunter und hinterließ einen stechenden Schwefelgestank.
    Der Turm war schwarz wie Obsidian, und als ich hinaufsah,
    schien die von zahlreichen Linsen verstärkte Bogenlampe in der
    Dunkelheit zu schweben wie eine Lichtwolke. Der Lichtstrahl
    schwenkte über eine schwarze See und beleuchtete nichts als
    wütende, tobende Wellen. Ich blickte nach innen, fand aber
    nichts. Wie es schien, hatte ich keine Vergangenheit und kein
    Gedächtnis. Es war der letzte Außenposten meines Bewusstseins, ein erinnerungsloses Eiland, wo nichts existierte außer
    dem, was ich in diesem Augenblick gerade spürte, roch oder
    sah. Aber ich ahnte trotzdem, dass ich in Gefahr war. Ich begriff, dass ich an dieser Stelle stand, um zu siegen oder um besiegt zu werden.
    Die nächste Welle schlug hinter mir an die Felsen. Mit Herzklopfen fasste ich nach dem Riegel, der die schwere Stahltür des
    Leuchtturms versperrte.
    Bald darauf war ich im Inneren und zog die Tür hinter mir
    zu. Es war gut, dem Sturm entronnen zu sein. Ich verriegelte die
    Tür und sah mich um. Aber außer der Wendeltreppe, die nach
    oben führte, gab es nicht viel zu sehen: kein Möbelstück, kein
    Buch, keine Kiste, kein gar nichts.
    Erneut lief mir ein Schauder über den Rücken. Ich zog meine
    Automatik heraus und ging langsam die Stufen hinauf.
    Der erste Stock war ebenso leer wie das Erdgeschoss, und
    auch der zweite wies keinerlei Zeichen auf, dass er jemals bewohnt gewesen sein könnte. Vorsichtig, die Waffe im Anschlag
    ging ich weiter hinauf, immer im Gefühl eines bevorstehenden
    Verlustes, den ich weder verstehen noch aufhalten konnte.
    Dann kam ich ans Ende der Steinstufen, ins oberste Stockwerk. Von hier aus führte nur noch eine eiserne Leiter zu der
    großen rotierenden Lampe hinauf. Ich hörte den Elektromotor
    leise jaulen und sah das weiße Licht durch die offene Luke, als
    der mächtige Strahl daran vorbeihuschte.
    Aber dieser Raum war nicht leer, in einem Sessel saß eine
    junge Frau und puderte sich mit Hilfe eines kleinen Spiegels die
    Nase.
    »Wer sind Sie?« fragte ich und zielte mit meiner Pistole auf
    sie.
    Sie senkte den Spiegel, lächelte und betrachtete die Automatik. »Ach, herrje!« sagte sie. »Du bist so eine richtige ActionHeldin, nicht wahr?«
    »Was soll ich hier eigentlich?«
    »Das weißt du wirklich nicht, oder?«
    »Nein.« Ich senkte die Automatik. Ich konnte mich an überhaupt nichts erinnern, ich spürte nur Liebe, Verlust, Enttäuschung und Angst. Die junge Frau hatte mit einem dieser
    Gefühle zu tun, aber ich wusste nicht, mit welchem.
    »Mein Name ist –« Die junge Frau unterbrach sich und lächelte wieder. »Ach, nein. Ich glaube, schon das ist zu viel.«
    Sie stand auf und kam auf mich zu. »Es gibt nur eins, was du
    wissen musst: Du hast meinen Bruder getötet.«
    »Ich bin eine Mörderin?« flüsterte ich und suchte in meinem
    Herzen nach Schuld, fand aber nichts. »Ich glaub' Ihnen nicht.«
    »Es ist aber wahr, und ich werde mich an dir rächen. Komm,
    ich zeig dir mal was.«
    Sie führte mich ans Fenster und zeigte hinaus. Erneut zuckten Blitze über den Himmel und erhellten die Aussicht.

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