03 - Keiner wie Wir
zahlreichen Handgranaten im Camp. Der Stift war bereits gezogen, nur der Daumen hielt noch die Sicherung … und er drohte, jede Sekunde in die Luft zu gehen.
»Ich ...« Eilig räusperte er sich. »Ich wollte dich abholen.«
Eine Antwort erfolgte nicht.
Reglos saß Tina vor ihm und starrte ihn mit großen, leicht glasigen Augen an. Zwischenzeitlich war Daniel nicht sicher, ob sie überhaupt atmete.
Rationales Denken war momentan nicht möglich, denn er hatte ihre Hand nicht losgelassen und die Berührung schien eine Art Denkschwelle aufgebaut zu haben.
Eine Botschaft jedoch drang zu ihm durch: Er musste dieser Situation so schnell wie möglich ein Ende bereiten.
Unsicher sah er sich um, bis er den in der Wand verborgenen Schrank ausmachte. Unfähig, sie loszulassen, zog er den fragilen, erstarrten Körper behutsam vom Sessel auf die Füße und zu der kleinen Tür, hinter der sich tatsächlich die Garderobe versteckte.
Glück gehabt, Daniel hätte nicht gewusst, wo er sonst danach suchen sollte. Seine Logik war momentan nämlich auch nicht verfügbar.
Noch vorsichtiger, tunlichst darauf bedacht, um Himmels willen nicht ihr Gesicht zu berühren, half er ihr in den Mantel und bemerkte mit einer gewissen, süßen Genugtuung, die absolut nichts mit Triumph zu tun hatte, dass weder Mütze noch Handschuhe vorhanden waren.
Als hätte er es nicht geahnt …
Die Erkenntnis, dass zumindest eines sich schon einmal nicht geändert hatte, zauberte ein unmerkliches, sehr schmales Lächeln auf sein Gesicht. Tina bewegte derweil keinen Muskel, noch immer starrte sie ihn an, und Daniel senkte seinen eilig, während er ihren Mantel zuknöpfte. Mit den Händen eines Greises, denn die bebten so stark, dass er Schwierigkeiten hatte, die Aufgabe zu bewältigen.
Erst, als er fertig war, blickte er auf. Ihre Miene wirkte unverändert, mit äußerstem Bedacht legte er einen Arm um ihre Schulter und führte Tina aus der Tür.
»Abschließen?«, erkundigte er sich leise, sobald sie im Flur standen.
Auch darauf reagierte sie nicht, er musste irgendetwas unternehmen, das war klar, doch Daniel zögerte. Unsicher schwebte sein Finger unter ihrem Kinn, dann holte er tief Luft und hob es vorsichtig, bis er in ihre Augen sah. Verdammt, sein Herz klopfte so stark, dass es schmerzte!
»Tina, wir müssen das Büro abschließen, richtig?«
Nach der nächsten Ewigkeit erlöste sie ihn mit einem sehr bedächtigen Nicken. »Ja ...«
Gott, diese Stimme! Wie viele Träume hatten ihn in der afrikanischen Hölle allein von diesem klaren, hellen Ton heimgesucht?
»Und wo befindet sich der Schlüssel?«
Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten. »Schlüssel?«
So kamen sie nicht weiter. Ohne eine rechte Ahnung zu haben, was er tat, begann Daniel, ihre Manteltaschen zu filzen. Dort wurde er nicht fündig.
»Wo ist deine Handtasche?«
»Handtasche?« Sie klang wie in tiefer Trance.
Flüchtig überlegte er, Tina im Flur warten zu lassen, verwarf den Gedanken aber sofort.
Alleinlassen? Sie, ohne ihn, er, ohne sie?
Niemals!
Und so führte er die kleine Frau durch das Vorzimmer, zurück in ihr Büro. Die schmale Handtasche war schnell gefunden und wenig später auch der Schlüsselbund daraus extrahiert.
Wieder im Flur versuchte Daniel es erneut. »Welcher ist es?«
Auch der Sinngehalt dieser Frage erreichte Tina offensichtlich nicht, denn ihm antwortete nur der übliche verständnislose Blick unter einer tief gerunzelten Stirn.
Etwas ratlos betrachtete Daniel die diversen Alternativen, doch dann trafen die ersten Erinnerungen ein, wurden bald zu fassbaren Bildern, und er machte auch dort ehemalige, lange vermisste Gefährten aus. Kurz darauf identifizierte er den Passenden für die Tür zum Appartement, Daniel fand den Briefkastenschlüssel und wenig später den, der für die Haustür vorgesehen war.
Blieben noch drei Unbekannte.
Bereits der zweite Versuch brachte ein optimales Ergebnis.
Tina ließ ihn nicht aus den Augen, während er mit der ihm eigenen Sorgfalt die Tür verriegelte, die Schlüssel in ihrer Tasche verstaute, schließlich abermals seinen Arm um ihre Schultern legte und sie langsam den Flur entlangführte.
Problemlos lief sie neben ihm, er machte auch kein Schwanken aus. Der Kopf war nach wie vor erhoben, die Schritte fest und sicher. Nur ihr Blick lag unverwandt auf ihm und ihr Gesicht wies immer noch diese besorgniserregende Blässe auf.
* * *
G emeinsam und ohne ein Wort zu wechseln, fuhren die beiden in die
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