03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
seufzte sie. »Ich würde die Sache mit dem Transport weglassen, wenn Sie Monica Rutgers über den Tod ihres Agenten in Kenntnis setzen. Sie wird so oder so nicht glücklich darüber sein, es ist also unnötig, ihr auch noch Munition für ihre Hab-ich-es-nicht-gesagt-Pistole zu liefern.«
»Verstanden.«
»Wir treffen uns in zwei Stunden in meinem Büro. Es gibt einiges zu klären.«
»Ja, Ma’am.«
Celeste klappte das Mobiltelefon wieder zu und ließ es in die rechte Tasche ihres dunklen Blazers gleiten. Sie fragte sich, wie schnell Purcell nach New Orleans gelangen konnte. Prejean nach Alexandria zu bringen war nun keine Option mehr, aber vielleicht konnte Purcell etwas anderes organisieren. Möglicherweise sogar näher an dem Ort, wo Valerie arbeitete.
Das Bild einer Tatortaufnahme – von dem Tatort – tauchte vor ihrem inneren Auge auf – ein Bild, an das sie sich in jeder herzzerreißenden Einzelheit zu erinnern versuchte.
Mit dem Gesicht nach unten liegt Stephen in einer Lache seines Bluts auf dem grauen Schieferboden des Hauseingangs. Ein Schuh – ein brauner Slipper – liegt hinter ihm, als sei er aus ihm herausgeschlüpft. Eine Hand befindet sich unter seiner Brust; er wirkt, als wüsste er nicht, wie ihm geschah.
Celeste war klar, dass das nicht stimmte. Der Mörder ihres Sohnes hatte einem Zellengenossen gestanden, dass Stephen um sein Leben gefleht und seine Geldbörse angeboten hatte, ehe ihm der Mann in den Kopf geschossen hatte.
Dann hatte er die Pistolenöffnung an Stephens Schläfe gehalten und erneut abgedrückt.
Stephen, ihr einziger Sohn, ihr intellektueller, kreativer Junge, war umgebracht worden, weil seine Frau eine Scheidung befürchtet hatte, die sie mehr gekostet hätte, als sie zahlen wollte.
Die Kosten eines Auftragsmords beliefen sich auf viele sexuelle Gefälligkeiten, falsche Versprechungen und fünftausend Dollar in bar.
Zugegebenermaßen preiswerter als eine Scheidung, aber der Mordprozess hatte die Rechnung ziemlich in die Höhe schießen lassen.
Celeste wollte sicherstellen, dass Purcell alles hatte, was er brauchte, um Prejeans Programmierung ein weiteres Mal auszulösen. Wegen der Anweisungen Brittos würde es allerdings nicht mehr möglich sein, dass Purcell den Vampir tötete, nachdem dieser ihre Ex-Schwiegertochter Valerie aus dem Weg geräumt hatte.
Schade, aber man konnte nicht alles haben.
Celeste nahm Aktentasche und Lunchtüte und machte sich auf den Weg ins Büro.
Gillespie trank das letzte Bier aus, während er sich nach einer Flasche Black Velvet, Jack Daniel’s oder gar Grey Goose sehnte, um den Biergeschmack zu vertreiben. Allerdings hatte er das Gefühl, niemals genügend Gehirnzellen abtöten zu können, ganz gleich, wie viel er auch trinken mochte, um die Bilder der Sicherheitskamera zu vergessen, die sich ihm gerade eingebrannt hatten.
Die Energie, die Prejean umgibt, dringt aus Dutzenden Richtungen in Johanna Moores Körper ein. Sie explodiert in ihren Augen, ihrer Nase und ihrem schreienden Mund.
Sie teilt sich in feuchte, glänzende Stränge.
Prejeans Energie zerlegt Moore in ihre Einzelteile.
Löst sie auf.
Moore sackt auf dem gefliesten Boden zu einem flüssigen Haufen zusammen. Ihr Schrei endet in einem Gurgeln.
Nun, die Millionen-Dollar-Frage, wo sich Johanna Moore aufhielt, war damit endgültig gelöst: noch immer im Bush-Center für psychologische Forschung.
Tot.
Ihre Überreste waren wahrscheinlich in einem Putzeimer.
Prejeans hübsches Gesicht ist ekstatisch. Er schließt die Augen, und Energieblitze schießen durch seinen Körper, blaue Flammen aus seinen Händen.
Die gleichen blauen Flammen hatten auch seine Hände umgeben, als er das arme kleine Mädchen verwandelt hatte. Sanitäter hatten später der Mutter eine Beruhigungsspritze gegeben, während das Kind immer wieder von dem hübschen Engel mit den schwarzen Flügeln gesprochen hatte: Prejean.
Ich war ein Ballon, dessen Leine gerissen ist. Ich bin schon zu den Sternen geschwebt, als mich ein Engel wieder einfing. Er hat meine Leine um sein Handgelenk gewickelt und mich wieder heruntergezogen. In meinem Bauch hat es ganz stark gekribbelt.
Nachdem er die Disc angesehen hatte, die er am Tatort hatte mitgehen lassen, jagten diese Worte Gillespie noch im Nachhinein einen eiskalten Schauder über den Rücken.
Eine Gestalt tritt ins Bild: taillenlanges schwarzes Haar, das sich wie nachtblauer Seetang in der Luft schlängelt. Die Flügel des Mannes sind ebenfalls
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