03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
Gesicht. Sie drückte sanft die Lippen auf die seinen. »Ich weiß«, flüsterte sie. »Zum Glück.« Sie ließ ihn los und musterte ihn. »Weißt du, was passiert ist?«
»Passiert?«
Heather nickte. »Deine Flügel.«
Dante starrte sie an. »Meine …?«
Schmerz pochte in seinem Rücken zwischen den Schulterblättern. Sie brannten, als sei dort Benzin ausgelaufen. Seine Muskeln zuckten, woraufhin seine Nerven erneut zu schmerzen begannen. Flügel – seine gottverdammten Flügel – raschelten hinter ihm.
Er wusste nicht, ob er sich aus Versehen selbst verwandelt oder ob Gabriels Blut etwas hervorgebracht hatte, das bereits in ihm geschlummert und geduldig gewartet hatte. Doch er hatte vor, es herauszufinden, sobald die Zeit dafür gekommen war.
»Heiliger Strohsack«, flüsterte er und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
»Ganz genau«, stimmte Heather zu.
»Herrliche Flügel«, sagte Luzifer. »Ich habe solche noch nie zuvor gesehen. Sie sind ganz anders als alle anderen – so wie auch du ein ganz anderer Creawdwr zu sein scheinst.«
Dante sah an Heather vorbei Luzifer an. Auf seinem strahlenden Antlitz spiegelten sich Lichter wider, die über die glänzenden Wände des Korridors und die Verzierungen tanzten …
Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er keine Verzierungen betrachtete, sondern blaue Schaufelblätter, die auf beiden Seiten des Gangs in die Marmorwände gerammt waren.
Einsatzbereit.
Kalte Finger griffen nach seinem Herzen. Eines Nachts würde es ihm gelingen, frei zu sein – sein Leben für sich zu haben. Wenn das hier, wenn die Schaufeln in den Wänden eines Palastes, in den er ein Tor geschlagen hatte, den ersten Schritt auf dem Weg in diese Freiheit bedeuteten, dann sollte das eben so sein.
»Ein ganz anderer Creawdwr – das stimmt«, sagte Gabriel, dessen Stimme vor Wut angespannt klang. »Aber auch ein fehlgeleitetes, naives Kind. Wie konntest du ihm nur gestatten, eine gewöhnliche Sterbliche als seine Calon-Cyfaill zu wählen?«
»Sie hat ihn wieder ins Gleichgewicht gebracht, ohne ihn auch nur zu berühren«, antwortete Luzifer. »Das spricht für sich selbst. Meinst du nicht?«
»Ich bin hier. Sprecht mit mir und nicht über mich, Arschlöcher!« Dantes Flügel flatterten wie von selbst und verteilten das Aroma verbrannten Laubs im ganzen Korridor. Seine Rückenmuskeln schmerzten.
Die Gefallenen, die Gabriel begleitet hatten, waren auf die Knie gesunken, den Blick auf den Marmorboden gerichtet. Aus ihren Gesichtern war alle Farbe gewichen.
»Ihr solltet aufstehen«, meinte Dante. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ihr vor irgendjemandem kniet – es sei denn, im Schlafzimmer. Sonst ist es wahnsinnig nervig, das kann ich euch sagen.«
Ein paar goldene, neugierige Augen blickten einen Moment lang auf. Die anderen Gefallenen verharrten regungslos, als ob Dante auch sie zu Stein verwandelt hätte.
Er seufzte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Luzifer zu. »Was ist eine Calon-Cyfaill ?«
»Eine Seelenverwandte«, erklärte der Morgenstern. »Eine Herzensvertraute. Die stärkste und tiefste Beziehung, die es zwischen Elohim geben kann.«
»Eine, die man niemals mit einer Sterblichen eingehen sollte«, knurrte Gabriel.
Dante bewegte sich übernatürlich schnell. Doch diesmal sprang der gefallene Engel, dessen Duft nun von Adrenalin durchzogen war, zeitig zur Seite, ehe Dante ihn wieder erwischen konnte. Dummerweise fiel er jedoch über seine knienden Begleiter und knallte mit voller Wucht rücklings auf den Boden.
Dante kauerte sich neben ihn. Er breitete die Flügel aus und schloss sie wieder, wobei ihn in der Vorgang erneut fast aus dem Gleichgewicht brachte. »Ich teile, was ich will und mit wem ich will«, erklärte er. »Ist das ein für alle Mal klar?«
Auf Gabriels Stirn bildeten sich Schweißperlen, doch sein Antlitz war zornverzerrt. »Du bist zu jung, um wissen zu können, was du willst«, sagte er und rappelte sich auf. »Oder um zu wissen, was das Beste für dich ist. An eine Sterbliche kannst du dich nicht binden.«
»Warum nicht?«
»Weil es einfach nicht geht. Es ist unmöglich.« Gabriels Blick richtete sich auf Heather. »Oder jedenfalls nicht gehen sollte.«
»Alles ist möglich«, gab Dante zurück. »Zum Beispiel wirst du den Zauber lösen, mit dem du Lucien belegt hast, und du wirst mir niemanden hinterherschicken, um mich im Auge zu behalten.«
Gabriels Augen richteten sich wieder auf Dante. »Dein Vater«, flüsterte er mit
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